"'Wenn es dir', so sagte ich mir, 'gelingt, die Pensionsgrenze zu erreichen, ohne zu arbeiten, anderen in den Hintern zu kriechen und billigen Wermut zu trinken, dann wird das Schicksal es gut
mit dir gemeint haben.'" Soweit zur Lebensphilosophie von Peter O. Chotjewitz, formuliert in dem Text "Phantombild". Nach 75 Lebensjahren sieht es nun so aus, als hätte es das Schicksal gut mit
ihm gemeint. Der Schriftsteller scheint sich selbst treu geblieben zu sein. Das hat ihn zwar nicht zu einem Popstar des Literaturbetriebes gemacht, allerdings wollte er das offenkundig - und sehr
glaubwürdig - auch gar nicht sein.
Positionierung statt Selbstdarstellung
Geboren am 14. Juni 1934 in Berlin, durchstreifte er "neugierig die verschiedenen Wissensgebiete der Maler und Anstreicher, Juristen und Rausschmeißer von Nachtlokalen", wie es in
Eröffnungstext der "Fast letzten Erzählungen 2", heißt. Chotjewitz studierte nach einer Malerlehre Jura und war in den 70ern als Anwalt von Andreas Baader tätig: "Ich besuchte ihn alle paar
Wochen unter dem Vorwand, sein Verteidiger zu sein", heißt es in dem Text "Pisacane und andere Erinnerungen". Inzwischen lebt Chotjewitz als freier Schriftsteller und Jurist in Stuttgart.
So könnte man nun befürchten, "Fast letzte Erzählungen 2" seien die Anekdoten eines älteren Herrn, der davon spricht, wie es früher so war. Doch weit gefehlt, beziehungsweise nur
ansatzweise richtig. Denn Chotjewitz schreibt zwar über die 1960er und 70er Jahre, er erzählt von seinem "Freunde Andreas, der später ein berühmter Staatsfeind wurde", doch seine Texte sind weder
anbiedernd noch sentimental, nicht aufdringlich noch von einem didaktischen Impetus getragen. Und sie handeln auch keineswegs alle von der guten alten Zeit. Der Schriftsteller Peter O. Chotjewitz
hat weit mehr zu bieten als Erinnerungen and die RAF und das Kreuzberg der 1970er Jahre.
So versammelt der Band Erinnerungen, fiktive Erzählungen und Mischformen davon. Es ist kein kleines Ego, das hier spricht, doch die Fähigkeit zur Selbstironie bleibt stets erkennbar.
Insgesamt sind die Texte weniger Selbstdarstellung als Positionierung. Vor ihr schreckt der Autor nicht zurück, sie schwingt immer mit, gleichzeitig ist seine Prosa nicht auf politische
Meinungsäußerung reduziert. Sie ist politisch ohne nur von Politik zu sprechen. Und in diesem Sinne absolut erlesen.
Birgit Güll
Peter O. Chotjewitz: "Fast letzte Erzählungen 2", Verbrecher Verlag, Berlin, 2009, 328 Seiten, 14 Euro, ISBN 978-3-940426-26-0
Hier bestellen...
Goetz Schleser
ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.