„Nutzlose Quälerei“ – die Folter in Vergangenheit und Gegenwart
Robert Zagolla stellt die Geschichte der Folter in Deutschland dar. Sie ging aus dem römischen Recht hervor. Der antike "Corpus iuris" definierte die Folter als "körperliches Leiden und
Schmerzen, die eingesetzt werden, um die Wahrheit herauszubekommen".
Zunächst unterlagen nur Sklaven und Königsmörder der Folter. Ab dem 14. Jahrhundert piesackten die Gerichtsknechte auch freie Bürger. Ebenso folterte die Justiz "Hexen", nicht minder Juden,
sofern man glaubte, dass letztere Brunnen vergiftet hätten. Während der frühen Neuzeit entgingen nur Adelige, Geistliche und promovierte Akademikern der Tortur - meistens.
Fast überall in Europa gab es "peinliche Befragungen". Zagolla betont jedoch wichtige regionale Unterschiede. Wo eine höhere Rechtskultur existierte, etwa in Italien, blieb die Kneifzange in
der Schublade. Jedoch dominierten rechtsunkundige Laien die deutschen Gerichte.
Bezichtigten ein oder zwei Personen jemanden eines "Verbrechens", durfte derjenige gefoltert werden. Damals gab es fast keine kriminalistischen Methoden; daher galten Geständnisse als
besonders wichtig. Aber "gestanden" unter der Folter nicht auch Unschuldige? In abergläubischen Epochen habe man dies verdrängt, und erst die Aufklärung entlarvte solche Fehler.
Zweifellos spielten sadistische Gelüste eine Rolle. "Die Technik des Quälens faszinierte schon immer". Der Justiz standen reichhaltige Arsenale zur Verfügung - Peitsche, "eiserne Jungfrau",
Daumenschrauben, Streckbänke, Feuer, Hängebalken.
Bis ins 18. Jahrhunderts wurde die Folter "ganz selbstverständlich angewandt". Es gelang nicht, die Willkür zu beschränken. Immer noch fürchteten viele, dass, ohne zu stechen und zu brennen,
Schuldige nicht zu überführen seien.
1740 schaffte Friedrich II. in Preußen die Tortur ab; ausgenommen blieben allerdings Majestätsverbrechen, Landesverrat und "große Mordtaten". Friedrich sah in der Folter eine "nutzlose
Quälerei". Andere deutsche Staaten verboten sie Jahrzehnte später; gleichzeitig fanden Justizreformen statt.
In Kaiserreich und Weimarer Republik durfte offiziell nicht gefoltert werden. Dennoch gab es "brutale Übergriffe" gegen Untersuchungsgefangene. Eingeborene der deutschen Kolonien wurden
gefoltert.
Im "Dritten Reich" misshandelte die Gestapo "politische Verbrecher", um "Geständnisse" und andere Aussagen zu erpressen. Die Staatsterroristen schlugen, wandten Stromstöße, Lichtbestrahlung,
auch Daumenschrauben an. "Sadismus" und "deutsche Pflichterfüllung" verschmolzen hierbei.
Politische Häftlinge der DDR erlitten ebenso Folterqualen, besonders Psychoterror wie Isolationshaft, Schlafentzug, Verhaftung von Familienangehörigen.
Dass die Folter nicht der Vergangenheit angehöre, zeige der Fall des Frankfurter Vizepolizeipräsidenten Wolfgang Deschner, der drohte, einen Kindesentführer zu foltern.
Zagolla hat ein sehr interessantes Buch verfasst.
Rolf Helfert
Robert Zagolla: Im Namen der Wahrheit. Folter in Deutschland, bebra Verlag, Berlin 2006, 239 Seiten, 22 Euro, ISBN 3-89809-067-1