Kultur

Not und Verfolgung

von Die Redaktion · 30. November 2005

Sebastian Krumbiegel präsentiert die Erlebnisberichte von Asylbewerbern. Fast alle leben in Leipzig und Umgebung. Im Rahmen des Projektes "Miteinander reden" befragten fünf Journalisten mehrere Menschen, die aus Ländern der Dritten Welt stammen. Der Herausgeber will den Dialog zwischen Einheimischen und Fremden fördern.

Nasri verteilte in Teheran politische Flugblätter. Um einer Verhaftung zu entgehen, kam sie vor fünf Jahren mit Mann und Kind nach Deutschland. Persien, erzählt sie, ist keine Demokratie, denn dort herrsche der Islam, bestimme Gesetze, die es erlauben, Frauen massiv zu diskriminieren. "Der Islam sagt, dass zwei Frauen so viel wert sind wie ein Mann und dass vier Frauen so viel denken wie zwei Männer".

Zwei syrische Kurden berichten über ihre Unterdrückung durch das Assad-Regime. Vielen Kurden werde die syrische Staatsbürgerschaft entzogen. Somit nötige sie die Regierung, das Land zu verlassen. Gleichzeitig liege die Infrastruktur Syriens darnieder; die meisten Gelder verausgabe der Polizeiapparat. In Syrien wohnten die Familien der beiden Kurden in einem selbst gebauten Lehmhaus.

Dunja kam aus dem Irak nach Berlin; ihr Vater wollte sich in Deutschland operieren lassen. Sie zahlten 12.000 Dollar an Schlepper. Der Vater starb trotz Behandlung; seine Familie blieb in Chemnitz, wo Dunja ein Gymnasium besucht.

Der kongolesische Pfarrer Mbuluku wurde 1997 von einem Schlepper ausgeflogen. Er war im Kongo zwischen die Fronten geraten. Soldaten schlugen ihn. Seine Familie, Frau und zehn Kinder, erhielt 2002 in Deutschland eine Aufenthaltsgenehmigung. Heute ist Mbuluku arbeitslos, lebt von Sozialhilfe und weiß nicht, ob er in den Kongo zurückkehren wird. Die deutschen Kirchen hält er für krank. "Es kommen nur noch alte Leute. Dann redet ein Pfarrer, redet, redet, redet, Amen, Ende".

Samir aus Aserbeidschan gehört zur Gruppe der "Kontingentsflüchtlinge jüdischen Glaubens"; sie dürfen ohne Asylantrag die deutsche Grenze passieren. Zwischen 1991 und 2004 taten dies 190.000 solcher Menschen. Bei Samir bleibt unklar, inwiefern jüdische Religion und Umsiedlung korrelieren. Vater und Schwester sind Muslime; "auch sie durften mit nach Deutschland, als Angehörige". Samirs Eltern hoffen, ihren Kindern ein Leben ohne Armut und Korruption zu sichern. Beide Missstände existierten in Aserbeidschan, das trotz enormer Rohstoffmengen keinen Wohlstand erwirtschafte.

Mohsen Motagian, ein Armenier aus dem Iran, der sich politisch engagierte, bekam Schwierigkeiten mit der Staatstyrannei. Seit 1998 in Chemnitz, fand auch er keinen Job und ging 2003 in die USA. "Ich wurde einfach wahnsinnig ohne Arbeit in Deutschland".

Krumbiegel hat ein lesenswertes Buch vorgelegt. Problematisch ist es, die Situation heutiger Zuwanderer mit den deutschen Vertriebenen der Jahre nach 1945 zu parallelisieren.

Rolf Helfert

Sebastian Krumbiegel (Hrsg.), Hoffnung säen. Lebensgeschichten von Flüchtlingen, Verlag edition Körber-Stiftung, Hamburg 2005, 235 Seiten, 14 Euro, ISBN 3-89684-046-0

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