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Kultur

„Nome di Donna“: Nein heißt Nein auf Italienisch

Eine Frau wehrt sich wegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Das italienische Drama „Nome di Donna“ versteht sich als Weckruf, verharrt allerdings in Konventionen.
von ohne Autor · 07. December 2019
Nome di Donna: Nina (Christina Capotondi) geht ihren Weg.
Nome di Donna: Nina (Christina Capotondi) geht ihren Weg.

In Zeiten der Wirtschaftsflaute sind in Italien mittlerweile Jobs begehrt, die früher kaum jemand haben wollte. Die arbeitslose Restauratorin Nina möchte ihrem prekären Dasein im Speckgürtel von Mailand entkommen und heuert als Pflegekraft in einer luxuriösen Seniorenresidenz an. Dort wird die alleinerziehende Mutter mit offenen Armen empfangen, doch rasch stellt sich heraus, dass der schöne Schein trügt. Hinter der fürsorglichen Fassade steckt eine strenge Hierarchie, die auf totaler Kontrolle und einem Netzwerk von Abhängigkeiten beruht.

An der Spitze dieses Systems steht der Direktor. Eben dieser Marco Maria Torri versichert sich der Loyalität seiner Mitarbeiterinnen durch sexuelle Gefälligkeiten. Nicht selten winkt dafür eine Beförderung. Als sich auch Nina des Abends allein mit Torri in dessen Büro wiederfindet, ist er sich einer weiteren „Eroberung“ sicher. Doch Nina wehrt sich. Nicht nur gegen die Zudringlichkeiten ihres Chefs, sondern auch gegen das System aus Macht, Angst und Schweigen. Sie zeigt Torri an. Was daraus folgt, verlangt ihr das Äußerste ab.

Regisseur Marco Tullio Giordana hat sich in vielen Filmen, wie etwa in dem in Venedig ausgezeichneten „100 Tage“, für eine bessere Welt eingesetzt. In „Nome di Donna“ stellt er ein Thema in den Mittelpunkt, das lange totgeschwiegen wurde: sexuelle Belästigung im Job. Der 69-Jährige hat dabei besonders die Situation in seinem Heimatland Italien im Blick. Das zeigen die politischen und kirchlichen Verflechtungen, die Torris Machenschaften decken. Ninas Geschichte lässt sich aber auch in einem viel größeren Kontext sehen.

Sexismus bekämpfen

Giordana hatte mit der Arbeit an dem Film lange vor der „MeToo“-Debatte begonnen, doch eignet er sich bestens als Kommentar dazu. Schließlich schärft er das Bewusstsein dafür, Sexismus und Machismo nicht hinzunehmen und Respekt einzufordern. Und dafür, dass Strukturen, die darauf basieren, letztlich scheitern. Und dass es jede(r) in der Hand hat, etwas zu bewegen, auch wenn der Preis hoch ist. Ohne Verbündete ist dies kaum möglich: Nina wendet sich an die Gewerkschaft. Dies erklärt auch den Filmtitel: „Nome di Donna“ („Frauenname“) bezieht sich auf eine anonyme Akte einer Gewerkschaftsinitiative.

Rasch wird klar: Was Nina erlebt hat, plagt viele Frauen. Doch sie will einen anderen, selbstbestimmten Weg gehen. Ihre innere Entwicklung steht im Fokus der Handlung. Nach der Anzeige erlebt sie schmerzhaft, was es bedeutet, in der bislang so schönen heilen Welt des Seniorenheims eine Ausgestoßene zu sein. Das zurückgenommene Spiel von Christina Capotondi lässt oft nur erahnen, was genau in ihr vorgeht und welche Gedanken sie umtreiben. Doch ihr Widerstandswille wächst und dieser Faktor bleibt aller Zerbrechlichkeit zum Trotz stets präsent.

Auch Valerio Binasco als zudringlicher Chef brilliert auf ganzer Linie. Entgegen aller Klischees ist dieser Mann von permanenter Freundlichkeit und scheinbarer Diszipliniertheit. Diese Maskenhafte macht ihn umso unheimlicher. Zu schön, um wahr zu sein: Dieser Gedanke kommt einem schon in der ersten von vielen elegischen Einstellungen, in der die klassizistische Seniorenvilla mit ihren kunstvoll herausgearbeiteten Torbögen und Brunnen eingefangen wird. Torri ist die Inkarnation dieser Scheinwelt.

Weiches Licht

Leider gibt es immer wieder Momente, in denen Anliegen und Ästhetik dieses Films auseinanderfallen. Es mag Sinn haben, Ninas Arbeitsplatz immer wieder in schwelgerischen Bildern festzuhalten, um das Trügerische zu unterstreichen. Warum Giordano auch sämtliche andere Schauplätze in der norditalienischen Lombardei in weiches und warmes Licht tauchte, erschließt sich nicht. Andererseits deckt sich diese ansichtskartenartige Bildsprache mit der sehr konventionellen, wenn auch behutsamen Erzählweise.

Abgesehen von Nina und Torri bleiben die Figuren eher blass oder sie agieren wie Abziehbilder. Im Falle von Ninas Kolleginnen, die ihr zum Teil arg zusetzen, ist dies besonders schade: Sie sind Leidensgenossinnen, fürchten im Zuge des öffentlichen Skandals um Torri, der vor Gericht endet, aber um ihre Pfründe. Von dieser Doppelbödigkeit ist nur wenig zu spüren.

So ist es letztlich die Hauptdarstellerin, die bislang vor allem mit einer Fernseh-Adaption von „Sisi“ auf sich aufmerksam gemacht hat, die den Film davor bewahrt hat, als glattgebügeltes Heldenstück zu enden. Gerade wegen des dringlichen Themas wäre es allerdings wünschenswert gewesen, wenn Gordana mutiger und radikaler vorgegangen wäre. Ein Skandalfilm wird „Nome di Donna“ sicherlich nicht.

Nome di Donna (Italien 2018), ein Film von Marco Tullio Giordana, mit Christina Capotondi, Valerio Binasco, Bebo Storti u.a., 90 Minuten.

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