„Niemand darf sich auf der Buchmesse bedroht fühlen.“
Wie groß ist die Freude als Autorin und Verlegerin, dass die Frankfurter Buchmesse wieder in Präsenz stattfinden kann?
Das ist ein großes Glück. Unser Geschäft hat zwar auch in der Corona-Zeit funktioniert – wir haben ja auch Bücher gemacht und verkauft – aber wenn ich hier in Frankfurt durch die Gänge der Messe gehe, merke ich schon, was ich vermisst habe: die Möglichkeit, Menschen zu begegnen, am Stand vom Aufbau-Verlag unsere Bücher im direkten Gespräch zu präsentieren und natürlich auch über mein eigenes Buch „Wellenflug“ sprechen zu können. Das sind nach dieser Zeit ganz besondere Momente.
Wie sehr hat Corona das Lesen verändert?
Das ist schwer zu sagen, da das Lesen ja sehr vielfältig ist. Corona hat zu allererst den Buchhandel betroffen. In vielen Gegenden waren die Buchläden wie der übrige Einzelhandel wochen- oder sogar monatelang geschlossen. Das hat die Innenstädte verändert. Wie sehr, muss sich erst noch zeigen, da die Menschen erst jetzt und noch recht zögerlich zurückkehren. Auch Zufallskäufe und die Inspiration in der Buchhandlung sind deutlich weniger geworden. Das stellt uns als Verlage vor Herausforderungen, da wir andere Wege zu den Leserinnen und Lesern finden müssen. Gleichzeitig wurde während Corona in manchen Bereichen auch mehr gelesen, etwa beim Kinderbuch.
Welche Rolle spielt der Ausfall von Veranstaltungen wie Buchpräsentationen?
Eine große. Wir haben nach Monaten, in denen gar nichts stattgefunden hat, erst im Frühjahr wieder mit kleineren Veranstaltungen begonnen. Langsam geht es wieder so richtig los. Wir merken aber auch, dass die Besucherinnen und Besucher nur zögerlich zurückkehren und sehr vorsichtig sind. Das ist schade, denn manche Bücher leben einfach davon, dass die Autorin oder der Autor mit ihm auf Tour geht. Und man darf natürlich auch nicht vergessen, dass die meisten Autoren ihr Geld vor allem mit Lesungen verdienen und nicht über den reinen Buchverkauf.
Ein großes Diskussionsthema dieser Buchmesse ist die Präsenz rechter Verlage und Autor*innen. Einige Autor*innen haben deshalb ihre Auftritte auf der Messe abgesagt, auch weil sie sich bedroht fühlten. Wie lässt sich das lösen?
Das ist ein sehr schwieriges Thema, weil es da zwei widerstreitende Impulse gibt. Auf der einen Seite ist die Messe natürlich dazu verpflichtet, die Sicherheit aller Besucherinnen und Besucher zu gewährleisten. Niemand darf sich auf der Buchmesse bedroht fühlen. Auf der anderen Seite ist auch die Meinungsfreiheit ein hohes Gut. Auch wenn ich bestimmte Meinungen nicht teile, muss ich sie manchmal aushalten. Deshalb sollten wir ganz genau beobachten, wo die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten werden und dann auch die notwendigen Konsequenzen ziehen und im Zweifel Autoren oder Verlage ausschließen. Hier sehe ich die Messe in der Verantwortung.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.