Kultur

„Nicht beklagen, engagieren“

von Birgit Güll · 13. Oktober 2012

„Wohlstand für alle“, das war einmal. In den letzten Jahren sei das Credo „Jeder ist seines Glückes Schmied“ verbreitet worden, sagt Ottmar Schreiner. Das Ergebnis ist eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft. „Wer kennt keinen Zeitarbeiter? Wer kennt niemanden, der prekär beschäftigt ist?“, fragt Detlef Wetzel, der Zweite Vorsitzende der IG Metall. Doch er ist optimistisch: „Die Gesellschaft beginnt sich gegen die Ausbeutung zu wehren“.

Starke Gewerkschaften sind konfliktfähig

Die IG Metall hat Mitglieder hinzugewonnen. Das hat Gründe. Sie hat einen Diskussionsprozess angestoßen, hat fast eine halbe Million Menschen gefragt, was sie sich unter guter Arbeit vorstellen. Das hat dazu geführt, dass die Menschen sich und ihre Bedürfnisse ernst genommen fühlten. Sie traten der Gewerkschaft bei. Nur wenn sie viele Mitglieder habe sei eine Gewerkschaft konfliktfähig, sagt Schreiner. Er erinnert an die Kampagne der IG Metall für Leiharbeiter. Eine Gruppe von Menschen, die schutzlos war, habe plötzlich unter dem besonderen Schutz der Gewerkschaft gestanden.

Das muss auch die Politik wieder schaffen. Die SPD habe Fehler gemacht sagt Ottmar Schreiner. Sie müsse den Wert der Arbeit wieder schätzen und sich um die junge Generation kümmern. Es müsse mehr Geld in Bildung investiert werden: „Was bei Banken möglich ist, muss erst Recht möglich sein, wenn es darum geht jungen Menschen eine Perspektive zu geben“, sagt Schreiner.

Bedürfnisse ernst nehmen

Die Gewerkschaften nehmen die Bedürfnisse junger Menschen ernst, sagt Wetzel. 35 Prozent der Menschen unter 25 Jahren hätten nie die Erfahrung gemacht, in einem festen Arbeitsverhältnis zu sein. „Nicht klagen, engagieren“, sagt Wetzel. Die IG Metall habe die „Operation Übernahme“ gestartet und in den Tarifverhandlungen die Übernahme der ausgebildeten Azubis in Betrieben durchgesetzt.

Je mehr Menschen sich in den Parteien und in den Gewerkschaften engagierten, desto stärker sei ihre Sicht vertreten. Die SPD wird im nächsten Jahr 150 Jahre alt. „Eine alte Partei braucht junge Mitglieder“, sagt Ottmar Schreiner. Und Wetzel ergänzt: „Aufbruch ist möglich“.

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Birgit Güll

ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.

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