Kultur

Neues Leben ohne Männer

von Renate Faerber-Husemann · 16. April 2014

Verachtung und Gewalt gegenüber alleinerziehenden Müttern: Das Bonner Frauenmuseum erinnert an die schwierige Situation von Frauen weltweit. Selbst in Deutschland kam es erst Anfang der 1970er Jahre zu einem gesellschaftlichen Umdenken.

Die Welt der alleinerziehenden Mütter ist bunt geworden. Zumindest in den meisten entwickelten, demokratischen Ländern. Etwas provozierend lässt sich sogar sagen: Dort, wo der Einfluss der Kirchen zurückging, wurde das Leben der „Single Moms“, wie sie sich heute gern nennen, einfacher. Sie haben zwar häufig finanzielle Probleme, werden aber nicht mehr gesellschaftlich abgewertet. Lebensformen, auch mit Kindern, lassen sich heute frei wählen: Alleinerziehende sind geschieden, verwitwet, sie wurden schwanger von einem Mann, der sich davon machte, sie leben in enger oder loser Partnerschaft mit dem Kindsvater oder auch bewusst allein mit Kind oder Kindern. Und niemand hebt den moralischen Zeigefinger.

Gedenken an Demütigungen und Schnüffeleien

Wie neu diese Entwicklung ist, zeigt eine eindrucksvolle Ausstellung im Bonner Frauenmuseum:  Ältere Frauen und ihre heute erwachsenen Kinder können noch Geschichten erzählen von Demütigungen ohne Zahl. In Deutschland bekamen sie bis 1970 vom Jugendamt einen Vormund vor die Nase gesetzt und jederzeit konnten Fürsorgerinnen bei ihnen zu Hause herumschnüffeln. Gab es Probleme, verhielt die Mutter sich nicht brav und angepasst, kamen besonders die „unehelichen Kinder“ aus finanziell schwierigen Verhältnissen schnell in ein Heim oder zu einer Pflegefamilie.

Riesenschritte für ein gesellschaftliches Umdenken

Es waren eine äußerst aktive Frauenbewegung und die sozialliberale Koalition unter Willy Brandt, die mit Riesenschritten für Veränderungen sorgten: Mit dem Gesetz, das 1970 in Kraft trat, wurden nichteheliche Kinder den ehelichen gleichgestellt, ihre Mütter hatten automatisch das Sorgerecht. Es war das Ende der Entmündigung  der nicht verheirateten Frauen mit Kindern – und der Beginn von gesellschaftlichem Umdenken.

Kleiderordnung und Unzuchtgesetzte

40 Künstlerinnen aus vielen Ländern, Malerinnen, Fotografinnen und Installationskünstlerinnen haben sich mit dem Thema auseinandergesetzt. Alleinerziehende berichten in Videos aus ihrem Leben, das in aller Regel vor allem aus finanziellen Gründen immer noch komplizierter ist als das in der klassischen Familie mit Vater, Mutter, Kind. Riesige Ausstellungstafeln liefern informative Texte zu Historie und Gegenwart. Es sind Erzählungen von Grausamkeiten und Demütigungen durch viele Jahrhunderte: Auf Druck der Kirchen gab es einst eine besondere Kleiderordnung für nichteheliche Mütter. Im 17. Jahrhundert gab es „Unzuchtgesetze“, Schwangere ohne Ehemann konnten ausgepeitscht werden. Im  Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900  hieß es: Der Vater ist mit seinem unehelichen Kind nicht verwandt.  Alimente waren nur an „unbescholtene, ehrsame“ Frauen zu zahlen. Das führte dazu, dass zum Beispiel in Berlin im Jahre 1912  neunzig Prozent der Männer von Zahlungen verschont blieben, weil sie behaupteten, die Kindsmutter hätte auch mit anderen Männern Verkehr gehabt! Welches Elend das für die Frauen und ihre Kinder bedeutete, lässt sich auch heute noch nachvollziehen.

Knaben für die „Blutlinie“

Was in vielen Ländern längst gruselige Vergangenheit ist, das ist in anderen immer noch schlimme Gegenwart. Das zeigt eindrucksvoll eine chinesische Künstlerin mit einem Knaben gebärenden Konfuzius. Nur Knaben, so hatte er gelehrt, zählen für die „Blutlinie“. Und da diese Tradition tief in den Köpfen verankert ist,  werden Mädchen bis heute noch im 8. Schwangerschaftsmonat abgetrieben. „In 20 Jahren werden sich zwei Männer eine Frau teilen müssen“, warnte die temperamentvolle Feministin. Eine ihrer Installationen im Frauenmuseum ist mit dem Text überschrieben: „Kill your daughter and let your son buy a bride from Vietnam“.

Frauendorf der Alleinerziehenden

Die Frauenverachtung ist auch in anderen Ländern weit verbreitet und hat zum Beispiel in Kenia dazu geführt, dass kämpferische Alleinerziehende ein Frauendorf für sich und ihre Kinder gegründet haben. Die Kuratorin der Ausstellung erzählt: „Sie hatten die Nase voll von Gewalterfahrungen. Und sie sind erfolgreich, weil eben Feldarbeit und Handel immer schon Frauensache waren.“ Allerdings müssen die Frauen sich mit Waffen und mit einem riesigen Dornenwall um ihr Dorf vor den Männern schützen. Eindrucksvolle Fotografien erzählen von ihrem neuen Leben ohne Männer.

Halber Lohn und doppelte Verantwortung

Also vergleichsweise alles gut in Deutschland? Jein. Es gibt zwar keine gesellschaftliche Diskriminierung mehr – fast jede fünfte Frau mit Kindern ist heute alleinerziehend. Aber: 39 Prozent der Alleinerziehenden sind auf staatliche Grundsicherung angewiesen. Jedes zweite Kind  mit Hartz IV wächst in einer Ein-Eltern-Familie auf. „Halber Lohn und doppelte Verantwortung“, so kommentiert eine der Frauen ihre Lebenssituation.

Die Ausstellung im Bonner Frauenmuseum läuft bis November dieses Jahres.    

Autor*in
Renate Faerber-Husemann

(† 2023) war freie Journalistin in Bonn und Erhard-Eppler-Biografin.

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