Kultur

Neue Erzählerinnen aus Georgien

von Matthias Dohmen · 19. April 2013

Schräge Geschichten wie „Das historische Gedächtnis“ der bislang im Deutschen unbekannten Anna Kordzaia-Samadaschwili sind in dem Band „Techno der Jaguare“ versammelt. Alle habeb eine überraschende Pointe, spielen mit Ironie, kommen unpolitisch daher und wagen doch im Privaten den Aufbruch eines neuen Georgien.

Die Heldin der ersten Geschichte, eine „recht gebildete Frau“, die bei „blöden Seminaren von Nichtregierungsorganisationen“ über den Dialog der Kulturen als Dolmetscherin tätig ist, kommt von ihrem Geliebten nicht los. Sie versäuft ihr komplettes Honorar und kann über sich selber lachen.

Über Nacht ein Buch aus dem Kopf gewachsen

Maka Mikeladzes Heldin ist über Nacht ein Buch aus dem Kopf gewachsen, in dem jeder etwas anderes liest: der Taxifahrer, der Geliebte, die Freundin, schließlich ein Buchhändler. Am Ende weiß sie, dass sie ihr selbst lesen muss, um herauszufinden, „was neu ist und was alt ... und was immerwährend“.

Mikeladze gehört wie Kordzaia-Samadaschwili zu den fünf Autorinnen, die bisher nicht auf Deutsch veröffentlicht sind. Dagegen haben sich Nino Haratischwili und Tamta Melaschwili hierzulande bereits einen Namen gemacht. Letztere mit ihrem Debütroman „Abzählen“, der 2012 im Schweizer Unionsverlag erschienen ist. Haratischwili, die in Hamburg lebt und auf Deutsch schreibt hat mit ihrem Erstling „Juja“, 2010 im Verbrecher Verlag erschienen, Aufsehen erregt.

Leider fehlt der Anthologie eine Einleitung, die den Leser an die georgische Literatur heranführt und aufzeigt, was an traditionelle Veröffentlichungen anknüpft, was neu ist und welche Einflüsse erkennbar sind. Dafür entschädigt in gewisser Weise das übrige Beiwerk zu den Texten. Ihnen sind Fotos der Autorinnen und umfassende Kurzbiographien beigegeben.

Die Geschichten machen Appetit auf Mehr

So erfährt man etwa über Tamta Melaschwili, die mit „Killer’s Job“ eine Kriminalgeschichte zu dem Sammelband beigesteuert hat, dass sie zwischen Deutschland, Ungarn und ihrer Heimat Georgien pendelt und sich für Frauenrechte und Genderfragen engagiert. Das Motto ihrer berufsmäßigen Auftragsmörderin lautet „flachlegen oder flachgelegt werden“.

In ihrer zivilen Existenz arbeitet ihre Heldin als Pressesprecherin „einer der einflussreichsten Parteien unseres Landes“. Schießen gelernt hat sie in der Schule, der Lehrer für Zivilverteidigung hatte nur eine Hand hat und eine Narbe im Gesicht: „ein Andenken an den Zweiten Weltkrieg“.

Kurzweilig sind sie alle, die fünf Erzählungen, der Romanauszug und der Einakter. Sie machen neugierig auf weitere Arbeiten der sieben Autorinnen eines Landes, dessen Literatur in der Bundesrepublik nur einem Fachpublikum bekannt sein dürfte. Umso schöner, dass „Techno der Jaguare“ Lust macht, mehr Prosa, Theater oder auch Lyrik aus Georgien zu lesen. Voilà!

Mana Tandaschwili/Jost Gippert (Hrsg.): „Techno der Jaguare. Neue Erzählungen aus Georgien“. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2013, 249 Seiten, 19,90 Euro. ISBN 978-3-627-00192-6

Autor*in
Matthias Dohmen

Matthias Dohmen hat Germanistik, Geschichte, Politologie und Philosophie studiert, arbeitet als freier Journalist und ist 2015 mit einer Arbeit über die Rolle der Historiker West und Ost im "deutschen Geschichtskrieg" promoviert worden.

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