Kultur

Monologe gegen das Schweigen

von Birgit Güll · 12. Februar 2009
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Die beiden Fernsehporträts sorgten bereits bevor sie ausgestrahlt wurden für Aufregung. "Eine Herausforderung. Monologe auf Mallorca", entstand 1981, zum 50. Geburtstag des Schriftstellers, 1986 folgte "Ein Widerspruch. Die Ursache bin ich selbst". Bernhard war zu dieser Zeit eine bekannte Größe des öffentlichen Lebens. In seiner österreichischen Heimat galt er als "Nestbeschmutzer", als Provokateur und Exzentriker. - Entsprechend heftig fielen die Reaktionen auf die Sendungen im öffentlich rechtlichen Rundfunk aus.

Die Macht der Medien

Da sitzt Bernhard 1981 unter der Sonne Mallorcas und erklärt sich zufrieden lächelnd selbst zum Narr. Wohl wissend, dass nur der Narr ungestraft die Wahrheit sagen darf, plaudert er drauf los: Das Leben, der Tod, die Politik als Weltbühne und die Unterhosen des Papstes - was immer ihm in den Sinn kommt, spricht er aus. Allerdings weiß Bernhard wie kaum ein anderer Schriftsteller seiner Generation um die Macht der Medien. Seine öffentlichen Auftritte und Äußerungen sind perfekt inszeniert und scharf kalkuliert.

In den Filmporträts übertrifft er sich dabei selbst. In Krista Fleischmann findet er eine kongeniale Regisseurin: Sie hält sich zurück, ist nicht mit im Bild und stellt kaum Fragen. So gibt sie Bernhard den nötigen Raum zur Entfaltung. Der Schriftsteller diktiert und inszeniert sein Porträt - er macht es zum Kunstwerk. Im Schneideraum verdichtet Fleischmann die Szenen zum Filmformat. Denn Bernhard möchte "ausstrahlen", will ein großes Publikum erreichen. Er weiß um seine Popularität und er versteht sie zu nutzen.

Die totgeschwiegene Vergangenheit

Thomas Bernhard verkündet keine absoluten Wahrheiten - in seinen Texten nicht, und in den Interviews auch nicht. Seine sprachlichen Stilmittel sind die Wiederholung und die Übertreibung. Mit ihrer Hilfe bearbeitet er Themen und gibt Denkanstöße, die mit zu den wichtigsten der deutschsprachigen Literatur nach 1945 zählen. Bernhard läuft Sturm gegen das Schweigen der österreichischen Nachkriegszeit. Schon sein erster Roman "Frost", erschienen 1963, thematisiert die totgeschwiegene nationalsozialistische Vergangenheit des Landes.

Löcher in Anzügen weisen in seinen Büchern auf die eilig abgenommenen Partei-Abzeichen hin. Prachtvolle Schlösser beherbergten Nazis, Tote sind auf den Anwesen verscharrt. Sprachgewaltig beschreiben die Bernhardschen Werke Zustände nach dem nationalsozialistischen Massenmord, ihre Helden sind Verstörte. Nicht zuletzt zeigen sie aber auch Auswege und mögliche Neuanfänge: Der Protagonist seines Romans "Auslöschung" (1986) schenkt das Anwesen seiner Eltern der Israelitischen Kultusgemeinde. Nur so wird es ihm möglich, mit der Schuld zu leben ohne von ihr erdrückt zu werden.

Bernhards Neuanfänge sind keine einfachen. Erst im Spätwerk werden sie überhaupt möglich. Und sie müssen kompromisslos sein: So muss etwa das belastete Anwesen, auf dem Nazis unterkamen und die Hakenkreuzfahne wehte, verschenkt, nicht verkauft werden.


Das "philosophische Lachkabinett"
Mit dem Etikett "negativer Schriftsteller" versehen, verschafft Bernhard sich in der Öffentlichkeit Gehör, äußert sich auch zur aktuellen politischen Lage Österreichs. Kompromisslos nutzt er seine exponierte Stellung. Auf dem Höhepunkt seiner Bekanntheit legt er 1988 "Heldenplatz" vor. Ein Theaterstück, in dem eine jüdische Professorengattin noch 50 Jahre nach dem "Anschluss" hören kann, wie die Österreicher auf dem Wiener Heldenplatz Hitler jubelnd empfangen. - Das Stück löst einen Skandal aus, der als "Nestbeschmutzer" Diffamierte hat einen Nerv getroffen: "Jedes Wort ein Treffer".

Krista Fleischmanns Filme zeigen Bernhard in Spanien. Das milde Mittelmeer-Klima lindert die Symptome seiner Krankheit, des morbus boeck. Er wirkt gelöst, spricht von seiner "Übertreibungskunst" und vom "philosophischen Lachkabinett", das sein Werk durchzieht. Zu seiner perfekten Inszenierung wippt er mit Händen und Füßen den Takt. Ganz beiläufig gibt er Interpretationsstränge für sein Werk vor. Nur beim Stierkampf verliert er die Lockerheit: "Lauter Schlächter", erklärt er angewidert. Der 1931 Geborene weiß: Er wird in seinen Texten weiterleben. - Und auch in diesen seinen filmischen Monologen.

BirgitGüll

Thomas Bernhard/ Krista Fleischmann: "Monologe auf Mallorca & Die Ursache bin ich selbst. Die großen Interviews mit Thomas Bernhard", DVD, filmedition suhrkamp, Frankfurt, 2008, 19,95 Euro


Autor*in
Birgit Güll

ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.

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