Kultur

Mission Gottesreich

von Anton Maegerle · 27. April 2009
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Christlicher Fundamentalismus als Gegenkonzept zur Moderne ist das Motto bibeltreuer evangelischer Christen, sogenannten Evangelikalen. Nach der Römisch-Katholischen Kirche sind sie weltweit die zweitgrößte christliche Gruppierung. In Deutschland zählen sie mittlerweile mehr als 1,3 Millionen Gläubige; weltweit bekennen sich heute etwa eine halbe Milliarde Menschen zur evangelikalen Bewegung. Das ist etwa ein Viertel aller Christen.

Grundlage Bibel
Die Bibel ist für diese Menschen Lebens- und Glaubensgrundlage. Ihrer Ansicht nach verkündet die "Heilige Schrift" die "Wahrheit", die eins zu eins umgesetzt werden soll. Andere Religionen werden strikt abgelehnt, Nichtchristen und Andersgläubige sollen bekehrt werden. Homosexualität gilt als Sünde und das klassische Familienmodell wird propagiert. Sex vor der Ehe ist verpönt. Abtreibung ist grundsätzlich verboten, bestimmte konservative Werte werden kompromisslos vertreten. Bei einigen christlich-fundamentalistischen Gruppen werden disziplinierende, körperliche Züchtigungen praktiziert, die aus der Bibel gerechtfertigt werden. Die Evolutionstheorie wird in Frage gestellt. Die Erde soll so entstanden sei, wie es in der Bibel steht. Evangelikale wollen die Gesellschaft verändern. Ihre Glaubensbrüder- u. Schwestern rufen sie zu mehr Engagement in der Politik auf. Für sie handelt der Staat im "Auftrag Gottes".

Befremdliche Welt des Heils
Eine Reise in diese befremdliche Welt des Heils haben die Hörfunk- und Fernsehjournalisten Oda Lambrecht und Christian Baars unternommen. Für ihr Buch "Mission Gottesreich" hat das Autorenduo zahlreiche fundamentalistische Gemeinden und deren Veranstaltungen besucht, Predigten und Veröffentlichungen ausgewertet, mit Anhängern, Aussteigern und Theologen gesprochen. Baars und Lambrecht beobachteten die Arbeit von Vereinen Missionswerken und Lobbygruppen. Sie berichten über Sekten ähnliche autoritäre Strukturen sowie über angebliche Wunderheilungen und Dämonenaustreibungen, genauso wie über Intoleranz, Wissenschaftskritik und aggressive Mission.

Gefahr einer Parallelgesellschaft
Besonders nachdenklich stimmt in dem informativen Buch, das löblicherweise über ein Sachregister verfügt, das Kapitel "Fundamentalismus im Unterricht". Demnach gibt es in der Bundesrepublik 80 evangelikal ausgerichtete Bekenntnisschulen. In einigen dieser Schulen wird im Biologieunterricht die biblische Schöpfungsgeschichte gelehrt und ein archaisches Gottes- und Gesellschaftsbild vermittelt, das mit den Werten einer aufgeklärten Gesellschaft kaum vereinbar ist. Hier besteht, so die Autoren, die "Gefahr einer Parallelgesellschaft".

Eindringlich machen die Autoren darauf aufmerksam gemacht, dass evangelikale Organisationen eine professionelle Medien- und Lobbyarbeit aufgebaut haben. Dazu zählen eigene Radio- und Fernsehsender, Buchverlage und Dutzende Zeitschriften. Medienzentrum der Evangelikalen ist die nordhessische Stadt Wetzlar. Hier haben der Evangeliums-Rundfunk, der "Christliche Medienverbund KEP" und der Verein "idea" ihren Sitz. Kritisch beleuchten die Autoren, dass sich die Haltung der evangelischen Landeskirchen zu den Evangelikalen entspannt hat. Theologische Aussagen der EKD, so idea-Chefredakteur Helmut Matthies, ein Freund der Rechtspostille "Junge Freiheit", seien wieder "bibeltreuer" geworden.

Der Coup
Einen Coup konnten die Evangelikalen im Mai 2008 landen. Erstmals wurde im Zweiten Deutschen Fernsehen der Sonntagsgottesdienst aus einer pfingstlich-charismatischen Gemeinde übertragen. Die pfingstlich-charismatische Bewegung ist ein Teil der Evangelikalen. In Deutschland gehören ihr zwischen 150.000 bis 300.000 Gläubige an. Weltweit stellt diese Bewegung den am schnellsten wachsenden Flügel der Weltchristenheit dar. Die pfingstlich-charismatische Bewegung glaubt, dass ihnen der Heilige Geist bestimmte Gaben verleiht. Dazu gehören das Heilen von Krankheiten oder das Vorhersehen von Ereignissen.


Anton Maegerle


Lambrecht, Oda / Baars, Christian: Mission Gottesreich. Fundamentalistische Christen in Deutschland. Berlin (Christoph Links Verlag). März 2009. 245 Seiten. 16.90 EUR. ISBN 978-3-86153-512-6

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Anton Maegerle

ist freier Journalist.

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