Kultur

Milliardengeschäft Menschenhandel

von Angelo Algieri · 14. März 2011
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Die mutige, engagierte Cacho hat 2005 bereits ein Buch über Kinderhandel und -pornografie geschrieben. Hat Namen genannt und damit einen Skandal ausgelöst. Die Machthaber rächten sich mit Verhaftung und Folter durch die Polizei, Diffamierungsklagen und Morddrohungen. Sie steht seitdem unter Polizeischutz. Doch den Kampf gegen Frauen- und Kinderhandel hat sie nicht aufgegeben.

International verflochtener Menschenhandel

So berichtet Cacho in ihrem neusten Buch meist über Mädchen und junge Frauen, die zu Sexsklaven wurden. Dabei verzichtet sie klugerweise auf Einzelheiten und vermeidet damit, dass ihre Opferberichte zu Sozialpornografie werden. Sie berichtet von jungen Frauen, die übers Internet mit Jobangeboten geködert werden und von vier- bis zwölfjährige Mädchen in Südostasien (Thailand, Kambodscha, Birma), die von ihren Verwandten an Menschenhändler verkauft werden. Laut der kambodschanischen Betreuungsorganisation AFESIP von Salmy Mam geben 43 Prozent der in Kambodscha befreiten Kinder an, von ihren Müttern verkauft worden zu sein.

Der Menschenhandel - Cacho zeigt es sehr eindrücklich - ist international sehr gut verflochten: Die Mädchen werden in verschiedene Länder verkauft. So kommen kambodschanische Mädchen nach London oder Chinesinnen nach Nicaragua. Die Mafia beschützt die Menschenhändlerringe und verdient so indirekt daran.

Cacho widmet sich auch der Nachfrage nach Prostitution. Dabei stellen in den meisten Ländern Sextouristen (in Thailand: circa fünf Millionen jährlich) und einheimische Soldaten die größte Gruppe der Klienten dar. Doch Cacho geht weiter und begutachtet soziokulturelle, ökonomische sowie politische Faktoren der Klienten. Die Autorin weist auch darauf hin, dass "neue Kolonialherren" sich im Norden Thailands ganze Dörfer kaufen und Frauen und Kinder als Sex- und Haushaltssklaven halten. Die meisten dieser Neo-Kolonialherren sind Deutsche und Holländer.

Armut bringt Sklavinnen hervor

Die Legalisierung der Prostitution sieht Cacho mit Skepsis. Denn in einer von "Ungleichheit geprägten Welt" nutze sie "nur den Tätern und nicht den Opfern". Sie argumentiert, dass die Zwangsprostitution sich hinter der legalen Prostitution verstecke. Cacho nennt viele konkrete Maßnahmen um der Zwangsprostitution entgegenzuwirken.

Trotz einiger polemischer Äußerungen gelingt es Cacho, das Problem des internationalen Menschenhandels in seiner Komplexität aufzuzeigen. Mit den Interviews sorgt sie dafür, dass die Opfer nicht nur anonyme Zahlen bleiben. Zudem weist Cacho mehrmals auf die wirtschaftliche Bedeutung hin: Jährlich werden weltweit eine Billion US-Dollar (etwa 30 Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes) mit Menschenhandel erwirtschaftet. Diese Zahl dürfte weiter steigen. Cacho formuliert dazu treffend: Die Armut "ist die Saatmaschine, die Sklaven und Sklavinnen in aller Welt hervorbringt."

Lydia Cacho: "Sklaverei. Im Inneren des Milliardengeschäfts Menschenhandel" Aus dem Spanischen von Jürgen Neubauer. Mit einem Vorwort von Carolin Emcke. S. Fischer, Frankfurt am Main 2011, 352 Seiten, 19,95 Euro, ISBN 978-3-10-010010-8

Links: Homepage von Lydia Cacho UNIFEM (Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für Frauen) Kambodschanischen Menschenrechtsorganistaion AFESIP (Acting for Women in Distressing Situations) Literatur: Kathryn Farr: "Sex Trafficking. The Global Market in Women and Children", Worth Publishers, New York 2004

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Angelo Algieri

ist freier Journalist.

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