Mikis Theodorakis: Abschied von einem griechischen Idol
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Mikis Theodorakis wurde am 29. Juli 1925 auf Chios geboren. Er war Schriftsteller und Politiker, sicher der bekannteste griechische Komponist des 20. Jahrhunderts und er wurde als Volksheld verehrt. Dürre Fakten, denn Theodorakis war viel mehr: Nicht nur stammt die Hymne der französischen Sozialisten Changer la Vieaus seiner Feder, in den 1970er Jahren gab es in ganz Europa wahrscheinlich kein einziges Plattenregal bei jungen Linken, in dem nicht mindestens eine LP von ihm stand.
Alle tanzten wie Sorbas
Jede*r (junge) Mann und Frau versuchte, wie Anthony Quinn den Sirtaki aus Zorba zu tanzen; wohl niemand, der nicht zur Vertonung von Pablo Nerudas Canto General geweint hätte; er machte den Rembetikozu griechischen Blues der städtischen Jugend nicht nur in Athen. Selbst das Griechenland zum Sehnsuchts- und Urlaubsort mindestens einer Generation geworden ist, hängt nicht unerheblich an der Musik wie dem politischen Wirken von Theodorakis.
Vielleicht können Menschen, die heute um die 30 sind, mit seinem Namen nichts mehr anfangen, aber die Melodie und den sich immer weiter steigernden Rhythmus von Zorba`s Dance kennen sie alle, mit absoluter Sicherheit.
Im Bürgerkrieg deportiert und schwer gefoltert
Theodorakis begann bereits als Junge zu komponieren. Schon eines seiner ersten Lieder war während des Krieges offizielles Widerstandslied der Marine. Und er war Zeit Lebens ein politischer Künstler. Mit 16 Jahren schloss sich Theodorakis dem Widerstand gegen die faschistische Besatzung an. Mit 18 Jahren wurde er erstmals inhaftiert und gefoltert. Als kommunistischer Regimegegner wurde er im Juli 1947 während des griechischen Bürgerkrieges erstmals verhaftet und auf die Insel Ikaria verbannt, später in ein Konzentrationslager deportiert und so schwer gefoltert, dass er die Misshandlungen nur knapp überlebte.
Zwischen 1954 und 1959 studierte er dann in Paris Musik, schrieb Symphonien und Suiten, gewann erste Anerkennung und Preise. Zurück in Athen entwickelte der gut aussehende, umtriebige junge Mann das Konzept einer zeitgenössischen Volksmusik und wurde gleichzeitig zur Leitfigur der Linken. Er vertonte Gedichte von Brendan Behan und Jannis Ritsos und war Parlamentsabgeordneter.
Im Exil: Kampf gegen die Junta
Dann am 21. April 1967 der Putsch der faschistischen Obristen in Griechenland. Theodorakis ging sofort wieder in den Untergrund, veröffentlichte einen Aufruf zum Widerstand. Seine Musik wurde postwendend verboten, der Besitz seiner Platten, das Singen und Hören seiner Lieder wurden mit Gefängnisstrafe geahndet. Er selbst wurde verhaftet und erneut gefoltert. Erst drei Jahre später gelang der internationalen Solidaritätsbewegung, u.a. Schostakowitsch, Leonard Bernstein, Arthur Miller, Yves Montand, Sir Laurence Oliver und Harry Belafonte, Theodorakis frei zu bekommen und ins Exil nach Frankreich zu entlassen.
In Paris gründete Theodorakis den Nationalen Widerstandsrat (EAS) und widmete seine Welttournee – rund 500 Konzerte weltweit in vier Jahren – dem Kampf gegen die Junta. Er wurde das Symbol des Widerstands gegen die Diktatur der Obristen. Weltweit wurden seine Lieder gehört und gesungen. Sie waren der wohl bekannteste Ausdruck des Widerstands gegen alle Diktatoren ob nun in Griechenland oder in Lateinamerika. Theodorakis traf Pablo Neruda und Salvador Allende und schuf den Canto General. Jede*r kannte den großen Mann, wie er mit wallender Mähne und ausholenden Gesten die Hymne der Freiheit mit Orchestern und Chören weltweit intonierte.
Als Minister für die Aussöhnung
Immer wieder warb er für eine Vereinigung, mindestens aber ein besseres Miteinander von Sozialist*innen und Kommunist*innen. Unter dem konservativen Konstantinos Mitsotakis wurde Theodorakis schließlich als unabhängiger Linker zum Staatsminister ohne Geschäftsbereich, engagierte sich insbesondere für die Reform des Erziehungswesens und gegen Terrorismus sowie, mit dem türkischen Musiker und Sänger Zülfü Livaneli, für die Aussöhnung zwischen Griech*innen und Türk*innen.
Theodorakis erhob die Stimme gegen die NATO-Bombardierungen im damaligen Jugoslawien 1999, gegen die Behandlung des gekidnappten Kurdenführers Abdullah Öcalan und gegen den Irak-Krieg. Er nahm vehement Partei gegen Israels Palästinapolitik, was ihm den Vorwurf des Antisemitismus einbrachte. Den heizte er mit unglücklichen Äußerungen sogar noch an, bis der Zentralrat der Juden in Griechenland seine Entschuldigung letztlich annahm.
Mikis Theodorakis ist tot. Seine Musik wird bleiben. Und hoffentlich auch sein Impuls, immer engagiert zu streiten, mit ganzem Einsatz für die Freiheit zu kämpfen und dabei den Menschen gegenüber freundlich und zugewandt zu bleiben.