Kultur

Menschenrechte als Ware?

von Anina Kühner · 1. Oktober 2012

In ihrem neuen Buch „Menschenrechte ohne Demokratie“ kritisiert Gret Haller den mangelnden Diskurs und die lähmende Selbstzufriedenheit, was dieses gesellschaftliche Kernthema betrifft - und den Missbrauch von Menschenrechten als Vorwand für militärische Konflikte.

Gret Haller hat mit ihrem Buch den Versuch unternommen, die Geschichte der Menschenrechte seit der Französischen Revolution nachzuzeichnen und den aktuellen Umgang der westlichen Demokratien damit zu analysieren. Dabei herausgekommen ist ein philosophisch-historisches Werk, das für eine breite Leserschaft schwer zugänglich ist.

Bei der Vorstellung ihres Buches in der Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin am vergangenen Freitag diskutierte die Schweizer Juristin und Publizistin mit dem Schriftsteller Wolfgang Engler und dem Juristen Christoph Möllers über ihre Grundthesen zum Thema Menschenrechte.

„Der Mauerfall hat die moderne Krise der Menschenrechte eingeläutet“, so Hallers Annahme. Selbstverständlich vergesse sie dabei nicht die Zustände in den Ostblockstaaten. Allerdings wäre zu Zeiten des Kalten Krieges wohl niemand auf die Idee gekommen, außerhalb der eigenen Grenzen militärisch zu intervenieren. Auf beiden Seiten hätte es damals fest gefügte Vorstellungen gegeben: „Im Osten galt der Grundsatz `Keine Freiheit ohne Gleichheit´. Im Westen war das Gegenteil der Fall“, bilanzierte die Autorin.

Nach dem Mauerfall habe man die Chance verpasst, diese beiden Pole zusammenzuführen. Die Konsequenz sei fatal gewesen: Der Neoliberalismus habe die Freiheit insbesondere der Märkte zum Primat über staatlich garantierte Gleichberechtigung gemacht, so Hallers Meinung. Der Begriff „Gleichheit“ sei bedeutungslos geworden.

Das Verständnis von Menschenrechten sei in den westlichen Demokratien von dem Gefühl geprägt, dass sie keiner Weiterentwicklung bedürften und man sie demnach exportieren könne wie eine Ware, bemängelte Haller: „Was fehlt, ist ein täglicher Diskurs“. Auch die Frage, inwieweit man Menschenrechte militärisch einfordern oder verteidigen könne, sehe sie kritisch.

Jeder sei als Mitglied einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet, die aktive Umsetzung von Menschenrechten täglich zu fordern und über den Umgang mit ihnen zu diskutieren, so Möllers’ Forderung. Für ihn ist die Kernbotschaft des Buches klar: „Man kann nicht nur Gerichte entscheiden lassen, was legitim ist und was nicht. Man muss sich fragen können: Sind die Verhältnisse, die ich um mich herum sehe, menschenwürdig oder nicht?“

Info

Gret Hallers Buch „Menschenrechte ohne Demokratie? Der Weg der Versöhnung von Gleichheit und Freiheit“ ist im Aufbau Verlag erschienen und kostet 22,99 Euro.

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Anina Kühner

studiert Germanistik und Buchwissenschaften in Mainz. Im Sommer 2012 absolvierte sie ein Praktikum beim vorwärts.

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