Kultur

Mensch Rommel

von Kai Doering · 1. November 2012

Noch heute ist Erwin Rommel ist eine der schillerndsten Figuren des Zweiten Weltkriegs. Die ARD zeigt in ihrem Drama einen anderen Rommel – einen Zweifler, der von seinem Idol Hitler abrückt und ihm doch bis in den Tod ergeben bleibt. 

Immer wenn ich den Namen Rommel höre, muss ich an eine Szene aus meinem Studium zurückdenken. Ich interviewte damals für die Studentenzeitung den Wachmann eines Einkaufszentrums. Das Gespräch plätscherte dahin, die Antworten waren mäßig interessant. Bis wir zu der Frage nach dem persönlichen Vorbild kamen. Der Mann überlegte kurz und sagte: „Erwin Rommel.“ In der eher links ausgerichteten Redaktion sorgte dies für Erheiterung, aber vor allem für allerhand Diskussionen.

Erwin Rommel ist wohl eine der umstrittensten Figuren des Zweiten Weltkriegs. Für die eine ist er noch heute der „Wüstenfuchs“, der mit List und Tücke die Engländer in Ägypten und Libyen schlug, für die anderen „des Teufels General“, der Soldat, der Hitler bis in den eigenen Tod noch treu ergeben war. Die ARD hat sich daran gewagt, mit Ulrich Tukur in der Hauptrolle die letzten Monate des Lebens von Erwin Rommel zu verfilmen. Und, so viel sei gleich zu Beginn gesagt, es ist ihr ausgesprochen gut gelungen.

Westfront statt Wüste

Niki Stein, Regisseur und Drehbuchautor in Personalunion, hätte es sich leicht machen können und Erwin Rommel einfach als Helden darstellen können, als Hitlers Lieblingsgeneral, den Eroberer von El Agheila. Doch der Afrika-Feldzug, der Rommel den Beinamen „Wüstenfuchs“ einbrachte und zum „beliebtesten Soldaten des Deutsches Reichs“ (das wird im Film mit unterschiedlicher Intention betont) machte, spielt in der Verfilmung kaum eine Rolle. Stein und sein Team haben sich auf die letzten Monate im Leben Rommels zwischen März und Oktober 1944 konzentriert.

Rommel ist zu dieser Zeit an der französischen Atlantikküste stationiert und dafür verantwortlich, die erwartete Invasion der Alliierten aufzuhalten. „Wenn Rommel an der Westfront steht, kann Deutschland ruhig schlafen“, tönt die „Wochenschau“ und inszeniert den Generalfeldmarschall als Macher. Doch der Zerfall des „Dritten Reichs“ wird von Woche zu Woche deutlicher. Auch Rommel erfasst die Skepsis, doch seiner Bewunderung Hitlers tut das zunächst keinen Abbruch. Im Gegenzug vertraut „der Führer“ (großartig dargestellt von Johannes Silberschneider) seinem General uneingeschränkt: „Von Ihnen hängt der Ausgang des Krieges ab.“

Selbstmord oder Schauprozess

So beißen die Militärs, die im Umfeld des geplanten Stauffenberg-Attentats an Rommel herantreten um ihn als Mitstreiter und Galionsfigur zu gewinnen, zunächst auch auf Granit. Als Rommels Stabschef Hans Speidel (Benjamin Sadler) von „anderen Optionen“ spricht, bügelt der Generalfeldmarschall ihn rüde ab: „An die glaube ich nicht.“ Doch spätestens nach der erfolgreichen Invasion der Alliierten am 6. Juni 1944 und nachdem er von Greueltaten der SS an den Juden in Frankreich erfahren hat, beginnt sich Erwin Rommel zu wandeln. Er widersetzt sich Hitlers Befehl, einen aussichtslosen Entlastungsangriff vorzunehmen und versucht, ihn im persönlichen Gespräch zu Friedensverhandlungen zu bewegen. „Wenn Sie Hitler verhaften und vor Gericht stellen, stehe ich zur Verfügung“, lässt er den nicht lockerlassenden Stauffenberg-Kreis wissen.

Doch nach dem Scheitern des Attentats lösen sich alle Alternativpläne in Luft auf. Hitler sinnt auf Rache und lässt die Verschwörer verhaften. In den Verhören fällt auch der Name Rommel. Und so stehen am 14. Oktober 1944 zwei Generäle in Rommels Wohnzimmer und stellen ihn vor die Wahl: entweder ein Schauprozess oder der Freitod mit anschließendem Staatsbegräbnis.

Rommel der Entzauberte

„Rommel“ beleuchtet ein bisher eher wenig beachtetes Kapitel im Leben des mythifizierten Soldaten. Ulrich Tukur zeigt ihn als von zunehmenden (Selbst)zweifeln Geplagten, dessen gesamtes Weltbild innerhalb von Wochen zerbricht. Das ist faszinierend zu sehen und trägt zur Versachlichung bei. Der Mythos Rommel speist sich ja auch heute noch hauptsächlich aus der Propaganda des NS-Regimes und deren Hauptverantwortlichen Joseph Goebbels (sehr gut dargestellt wird dies übrigens in der anschließenden 30-minütigen Dokumentation). Niki Stein entzaubert den großen Rommel ohne ihn zu einem Nazi-Schergen zu machen. Ein überzeugter Nationalsozialist war dieser wohl nie, wohl aber ein glühender Hitler-Verehrer und Vollblutsoldat. „Und er hat“, wie Regisseur Stein betont, „als einziger der obersten Generalität, seine Lehren aus seiner Vergangenheit gezogen, wenn auch zu spät.“ Rommel sei „ein Menschen eben“.

Ulrich Tukur, der die Rolle zunächst abgesagt, dann aber doch Gefallen am Drehbuch gefunden hatte, gibt Erwin Rommel ein eigenes Gesicht. Mal nachdenklich, mal soldatisch zackig verkörpert er seine Figur. „In die Rolle Rommel mischt sich immer ein Stück Ulrich Tukur“, verrät er. „Alles andere wäre Schizophrenie.“ Für weitere Ausflüge in die schlimmste Phase der jüngeren deutschen Geschichte wird das Fernsehpublikum allerdings auf Tukur verzichten müssen. „Ich habe zu viele Nazi-Rollen gespielt. Rommel war das letzte Mal.“

„Rommel“ läuft heute Abend um 20:15 Uhr in der ARD. Im Anschluss zeigt das Erste „Rommel – Die Dokumentation“.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare