Die jesidische Familie von Gülnaz Beyaz wird als Minderheit in der Türkei gedemütigt und verfolgt. Der Patriarch der Familie beschließt, dass sie nach Deutschland ziehen.
Der jungen Kurdin Gülnaz offenbart sich dort eine andere Welt: Frauen mit offenem Haar, Frauen, die Auto fahren und über sich selbst bestimmen. Sie wünscht sich nichts mehr, als eine moderne
Frau zu sein: "Ich wollte nicht wie meine Schwester Ilza leben: jeden Tag Streit mit den Eltern und Schläge von Mutter und Vater. Ich wollte selbst über mein Leben bestimmen, keine Marionette sein,
die von anderen Leuten gespielt wird. Weder von meinem Vater, noch von einem Mann, den ich nicht liebte."
Mutiges Auftreten
Gülnaz macht den Führerschein. Dies stelle schon eine kleine Rebellion dar, weil Jesidinnen das normalerweise nicht machen. Trotz dieses ersten emanzipierten Schrittes, kann sie sich nicht
von den jesidischen Traditionen lossagen. Sie weiß, dass sie nur dann von der jesidischen Gemeinde akzeptiert wird, wenn sie alle Gepflogenheiten hinnimmt. "Die Jesiden wenden ihre Gesetze streng
an. Man muss sich radikal dazu bekennen".
Sie heiratet und akzeptiert ihre Rolle als Ehefrau und Mutter.
Die deutsche Gesellschaft beeinflusst sie jedoch so nachhaltig, dass sie
arbeiten und ihr eigenes Geld verdienen will. Erst arbeitet sie in verschiedenen Firmen am Laufband, dann wird sie Vorarbeiterin.
Emanzipation versus Tradition
Gülnaz bringt das Geld nach Hause. Bald will sie mehr und steigt ins Immobiliengeschäft ein. Sie verdient so viel Geld, dass die Familie ein Haus baut. Ihr Mann unterstützt sie nicht - er
steckt das Geld oftmals heimlich ein und boykottiert ihre Pläne. Die Kurdin will deswegen ausbrechen und ihren Traum verwirklichen: Sie will Fahrlehrerin werden. Sie schafft alles so, wie sie es
sich wünscht. Ihr Mann hingegen schlägt und bedroht sie, weil er seine Männlichkeit untergraben sieht. Nach vielen Attacken hat seine Frau es satt, sich verprügeln zu lassen - sie lässt sich
scheiden und löst somit die Blutrache aus. Der erste Racheakt trifft ihren Bruder Adil. Die Ehrenmorde lassen sie nachts nicht mehr ruhig schlafen. Sie wird sogar dafür mitverantwortlich gemacht.
Besondere Dramatik dieses Buches ist, dass Gülnaz in aller Öffentlichkeit für einen Ehrenmord zu Verantwortung gezogen wird, den sie selbst zu tiefst verabscheut. Ihre Biographie ist sehr
spannend, die Geschichte ist spektakulär und kaum vorstellbar.
Gülnaz Beyaz ist eine Frau, die sich nicht zwischen Religion, Familie und Freiheit entscheiden möchte. Sie kämpft entschlossen für ein freies, selbstbestimmtes Leben. Die Kurdin ist somit
Vorbild für andere unterdrückte Frauen. Doch ist das Buch auch für Menschen aus anderen Kulturkreisen interessant. Besonders Frauen ist dieses Buch zu empfehlen, weil Leserinnen sich sehr gut in
die Lage der Protagonistin versetzen können.
Auf Grund des spannungsgeladenen Stoffes will der Leser das Buch nicht mehr aus der Hand legen.
Sonja Gurris
Ralf Pasch und Katrin Rohnstock: "Mein Leben im Schatten der Blutrache"- Die Geschichte von Gülnaz Beyaz, Dtv 2008, 11,90 Euro, ISBN 978-3423344807
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