Integration sei keine Einbahnstraße: Das betonten alle Teilnehmer des Gesprächskreises Migration und Integration. "Fördern und fordern muss gleichzeitig praktiziert werden", unterstrich MdL
Ralf Stegner. Der Innenminister von Schleswig-Holstein sprach von der "Politik der ausgestreckten Hand". Zugleich betonte er, dass es um "Integration, nicht Assimilation" gehe.
Weil Sprachkenntnis dabei zentral ist, sind die Integrationskurse ein wichtiges Element der Integrationspolitik: Neben Sprachkenntnissen sollen sie Kenntnisse des Rechts und der Kultur
vermitteln. Zwei Jahre sind sie jetzt in Kraft - Zeit für eine erste Bilanz und Evaluierung. Was Albert Schmid, der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge "bereits als
Erfolgsmodell" wertet, sieht in Zahlen anders aus: nicht mehr als 45 Prozent Prüfungserfolge bei den Kursteilnehmern.
"Die Kirche und auch die Moschee im Dorf lassen"
Kontroversen verursachte das relativ hohe "Sprachniveau B1", das derzeit Ziel der Integrationskurse ist. Albert Schmid verteidigte dieses und wies darauf hin, dass man die Teilnehmer auf den
Arbeitsmarkt vorbereite. Entschieden widersprach MdB Lale Akgün (SPD). Man müsse "die Kirche und auch die Moschee im Dorf lassen", so Akgün, es gehe es um Integrationskurse, "Sie bilden hier keine
Germanisten aus."
Breite Zustimmung fand Akgüns Aufruf "zielgruppenspezifisch zu denken". Niedrigere und höhere Abschlüsse sollten parallel möglich sein. Für einen Analphabeten, der seine Muttersprache nicht
auf B1-Niveau beherrsche, müsse ein anderes Ziel gelten, als für einen Hochschüler. Massiv gefördert werden müssten in jedem Fall junge Leute, unterstrich Akgün. Einig war man sich, dass eine
Erhöhung der derzeit 600 Kursstunden sinnvoll ist - gerade für Analphabeten.
Motivation statt Sanktion
Kritisch beleuchtet wurde ebenso die Zusammensetzung der Gruppen. Es mache keinen Sinn, dass Hochschulabsolventen zusammen mit Analphabeten in einem Kurs sitzen, betonte Safter Cinar, der
Sprecher des türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg. Die Gesprächsteilnehmer waren sich einig, dass das geändert werden muss. Zumal die Gruppengröße mit 17 Personen pro Kurs ohnehin relativ hoch
ist.
Solange allerdings die Lehrkräfte nach Kursteilnehmern bezahlt werden, würde das die Entlohnung der Lehrer weiter drücken. Mit 2,05 Euro pro Teilnehmer ist die Honorierung ohnehin zu gering.
Mit einer Erhöhung des Honorars könnte die Motivation der Lehrkräfte geförderte werden, ist Lale Akgün überzeugt.
"Wer Integration ernst nimmt, muss auch Geld in die Hand nehmen", so Akgün. Sie schlug vor, den Teilnehmern nach bestandenem Kurs ihren Kursbeitrag zurückzuerstatten. Sanktionen für jene, die
den Integrationskurs nicht bestehen - "Konsequenzen", wie Albert Schmid sagt - lehnten Akgün und Cinar hingegen ab. Vielmehr wollten sie ein Klima der Motivation, in dem Migranten sich willkommen
fühlen.
Zuwanderungsgesetz im Umbruch
Akgün sprach sich auch gegen das aus, was Schmid "Vorintegration" nennt: dass Menschen bereits Sprachkenntnisse vorweisen müssen, wenn sie zu ihrem Ehepartner ziehen wollen. Was für eine
Erfolgsgeschichte wären die Integrationskurse, wenn sie schon Vorkenntnisse bedingen, fragte Lale Akgün. Zu diesem Punkt hatte MdB Rüdiger Veit leider nichts Gutes von der Bundestags-Anhörung zur
Änderung des Zuwanderungsgesetztes zu berichten: Man sei in diesem Punkt uneins.
Noch schlechter sehen die Ergebnisse der Anhörung für jugendliche Migranten aus: Sie werden wie es aussieht, nicht länger privilegiert und vor Abschiebung geschützt sein. Auch die 100 000
Kinder und Erwachsene die mit dem Status "Geduldete" bereits länger als sechs Jahre in Deutschland leben, werden wohl keine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen bekommen. "Ausgesprochen
schmerzhaft", so Veit, sei es für die SPD gewesen, hier Zugeständnisse an die CDU zu machen. Das wird den Menschen, die täglich mit Abschiebung rechnen müssen, wohl kein Trost sein. Unter ihnen 50
000 Kinder und Jugendliche, die das Heimatland der Eltern gar nicht oder kaum kennen.
So war Veits Bericht am Ende der Tagung "Migration und Integration" geradezu ernüchternd im Hinblick auf die engagierte Diskussion zu den Integrationskursen.
Birgit Güll
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