Kultur

Mao – Eine Chronik

von Thomas Köcher · 11. Oktober 2009
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Die Volksrepublik China - der Inbegriff reichhaltiger Kultur und wechselvoller Historie - ist nicht nur das Gastland auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse sondern befindet sich auch auf dem Weg zur neuen Weltmacht. Deren Wirtschaftkraft beruht zu einem Gutteil auf historisch gewachsenen autoritären Strukturen, die allerdings zugleich Millionen Menschen das Leben kosteten. Weil Mao Zedong daran einen großen Anteil hatte und zudem viele Jahre die Kommunistischen Partei Chinas lenkte, setzt sich der Politikwissenschaftler Wolfram Adolphi mit dessen Leben auseinander. Der des Chinesischen mächtige Autor nutzt dazu nun freigegebene Akten aus der ehemaligen Sowjetunion. Anhand dieser neuen Quellen analysiert er, wie der Aufstieg des einstigen Reiches der Mitte zur Supermacht erst durch revolutionäre Gewalt möglich wurde und welche Rolle Mao dabei spielte.

Interessant ist, dass der Verfasser die Nationalisten und die Kommunistische Partei Chinas durchgängig bei ihren Originalnamen Guomindang und Gongchandang nennt. Er begründet dies damit, dass bei den Begriffen "Nationalisten" und "Kommunistische Partei" sofort in eine ganz bestimmte Richtung gedacht werde, man die Gongchandang jedoch nicht mit der SED oder KPdSU vergleichen könne. Weil er diese Assoziationen vermeiden wollte, habe er ausschließlich die chinesischen Bezeichnungen verwendet.

Adolphi warnt vor einer zu vereinfachenden Darstellung Mao Zedongs. Es gebe ein "Mainstream-Weltbild". Dies besage, dass alles auf der Welt in Ordnung gewesen sei, doch dann kamen vier Idioten: Hitler, Lenin, Stalin, Mao. Und die hätten alles kaputt gemacht. So einfach dürfe man es sich nicht machen. Mao werde häufig als Massenmörder dargestellt. Diese einseitige Sicht sei genauso ungerecht wie die wechselnde Betrachtungsweise des Diktators Maos in der Sowjetunion und in der DDR zu den verschiedensten Zeiten. Die Person Mao Zedongs sei wesentlich vielschichtiger, so Adolphi.

Die Kunst der Komprimierung

Geprägt von traditionellem Denken war Mao einerseits Volktribun und genialer Stratege, andererseits jedoch Despot und grausamer Machthaber. Wolfram Adolphi begleitet ihn durch die Wirren des Bürgerkrieges, die Kämpfe gegen Japan und die Auseinandersetzungen mit der Guomindang bis hin zur Gründung der Volkrepublik China, der Maos Kampagnen wie die "Hundert-Blumen-Bewegung", "Der große Sprung nach vorn" und die "Kulturrevolution" folgten, die Millionen Menschen mit ihrem Leben bezahlten. Das gleicht einem Drahtseilakt, den der kompetente Autor jedoch meistert. Er stellt den chinesischen Diktator als Strategen, als herausragenden Führer der Kommunistischen Bewegung und Kämpfer gegen das Unrecht dar, aber verschweigt auch dessen brutale Schattenseiten nicht.

Das Buch ist in lockerem Stil geschrieben und lässt sich recht zügig lesen. Auf die Frage, was es von Jung Changs und Jon Hallidays monumentalem Werk namens "Mao. Das Leben eines Mannes. Das Schicksal eines Volkes" unterscheide, konstatierte Adolphi: Die Kunst seines Buches bestünde in der Komprimierung. Seine Absicht sei es gewesen, Mao aus einem bestimmten Blickwinkel zu beleuchten und alle dafür relevanten Daten zu bündeln. "Dabei ist es ihm immer wieder um die Verhältnisse zu tun - um die gesellschaftlichen Umstände, Zwänge, Herausforderungen, Möglichkeiten und Handlungsspielräume, und zwar die nationalen und internationalen -, in denen Mao so werden konnte, wie er war, und die er so prägte, wie er es tat", heißt es im Vorwort.

Hauptaugenmerk legt Adolphi dabei auf 1920er und 1930er Jahre, für die ihm "etliches bisher noch kaum diskutiertes, erst jüngst veröffentlichtes Quellenmaterial" zur Verfügung stand. Schade, dass die Zeit nach der Gründung der Volksrepublik China bis zu Maos Tod mit rund 30 Seiten ein wenig kurz kommt. Dennoch ist es ein gelungenes Werk und als Einstieg für die Beschäftigung mit der aufstrebenden Supermacht China, für das Verständnis der historischen Hintergründe und der Rolle Mao Zedongs wunderbar geeignet. Vor dem Hintergrund, dass das Land angesichts der globalen Wirtschafts-, Finanz- und Umweltkrisen auch künftig in der Welt eine große und äußerst wichtige Rolle spielen wird, sollte Adolphis Buch viele Leserinnen und Leser finden.


Wolfram Adolphi: Mao. Eine Chronik. Verlag neues Leben, Berlin 2009, 192 Seiten, 12,90 Euro, ISBN 978-3-355-01763-3

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Autor*in
Thomas Köcher

Ich studiere Kulturwissenschaften an der Europauniversität Viadrina in Frankfurt (Oder) mit den Schwerpunkten Kulturgeschichte und Sozialwissenschaften. Ich lerne dort ebenfalls Englisch und Spanisch. In meiner Freizeit bin ich "ganz normal" wie andere auch: Ich spiele Fußball, gehe gerne weg oder verbringe Zeit mit meinen Freunden.

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