Dieses Buch ist eine Warnung, deren Berechtigung seit dem Duisburger Mafia-Mord kaum jemand gänzlich bestreiten wird. Allerdings geht es dem Autor nicht darum, zu suggerieren, jederzeit
könnten sich neue Mehrfach-Morde dieser Art in Deutschland ereignen. Darauf richten sich seine Befürchtungen nicht vordergründig. Der 1945 in Frankfurt am Main geborene kritische Journalist deckt
vielmehr die Verquickung von Wirtschaft und Kriminalität im großen Maßstab auf - und es ist nicht erst der Mehrfach-Mord, durch den er auf diese Zusammenhänge gestoßen ist.
Jürgen Roth untersucht, wie sich die internationale Mafia gesellschaftliche Umbrüche zu Nutze macht, um in entstehende Lücken vorzustoßen. Er beschreibt, wie sofort nach der Wende in der
DDR der Drang des organisierten Verbrechertums da gewesen sei, Geld im Osten zu investieren.
Dabei beruft Roth sich auf Informationen der Polizei. Er wartet mit Fakten auf, die den Umfang getätigter Investitionen betreffen und den Raum, innerhalb dessen investiert wurde. Seine
Recherche betrifft nicht nur eine nationale Mafia-Organisation, sondern die lange am Markt tätigen italienischen Organisationen ebenso wie die neu entstandenen russischen.
Geldwäsche und Tourismus
Roth geht davon aus, dass etwa an der Ostseeküste etliche solcher Gelder gelandet wären. Er hat entsprechenden Geldwäscheverfahren nachgespürt und stellt an Hand konkreter Beispiele
Rechnungen auf, die mitunter ein krasses Missverhältnis zwischen Kosten und erwirtschafteten Gewinnen verzeichnen. Aber auch Brandstiftung und Menschenhandel geraten im Zusammenhang mit solchen
Transaktionen in den Focus des Journalisten.
Was tun
Er würdigt das Bemühen engagierter Kriminalisten im Kampf gegen mafiose Verstrickungen und er versucht herauszufinden, wie hier effektiv zusammenzuwirken ist. Dabei hebt er insbesondere die
Berliner Initiative "Mafia? Nein Danke!" hervor, vom Berliner LKA initiiert und von über 60 Restaurantbesitzern unterstützt, in deren Interesse es ebenfalls liegt, dass nichts verschleiert wird,
sondern der Mafia offensiv entgegengetreten wird.
Die Schwierigkeit der Recherche
Wo mit konkreten Beispielen gearbeitet und über laufende Verfahren berichtet wird, ist die Gefahr groß, die Beweislage zu verkennen. Persönlichkeitsschutz und Bedürfnis nach Aufklärung sind
auszutarieren, die für den investigativen Journalismus notwendigen Quellen zu schützen. Auch Roth ist dieser Gefahr offenbar nicht entgangen, ist er doch selbst in entsprechende - auch verlorene
- Prozesse verwickelt gewesen.
Fakt bleibt allerdings, dass seine Enthüllungen eine Materie offen legen, die ein hohes Gefahrenpotenzial für die Gesellschaft in sich bergen.
Dorle Gelbhaar
Jürgen Roth "Mafialand Deutschland", Eichborn AG, Frankfurt am Main, 3. Auflage 2009, 320 Seiten, 19,95 Euro, ISBN 978-3-8218-5632-2
ist freie Autorin, Vorstandsmitglied des Verbands deutscher Schriftsteller im ver.di-Landesverband Berlin sowie stellvertretende Vorsitzende des Kulturwerks Berliner Schriftsteller e. V.