Das Haus am Lützowplatz in Berlin ist eine ursozialdemokratische Institution. Seit Anfang der 1960er bringt die Galerie Kultur und Politik zusammen.
Kochen kann man auch gut zu zweit. Stelle ich mir zumindest vor“, sagt die Frau im Video. Neben ihr sitzen fünf weitere Menschen, doch ihre Gesichter sind eingefroren während sie darüber spricht, wie sie sich eine ideale Beziehung vorstellt. Gleich wird eine andere Person reden, dann erstarrt sie zum Standbild. „Silver lining“ („Hoffnungsschimmer“) heißt die Videoarbeit der Schweizer Künstlerin Bettina Disler. Es ist ihre Ausstellung „me and maybe you“ („ich und vielleicht du“) die an diesem Februarabend im Haus am Lützowplatz eröffnet wird. Die Galerie in Berlin-Tiergarten ist gut gefüllt, als Karin Pott ans Mikrofon tritt, um den Gästen die Arbeit von Bettina Disler nahezubringen. „Das Interesse an anderen Menschen ist der Kern ihrer Arbeit“, sagt die Künstlerische Leiterin des Hauses. Sie erzählt davon, wie Disler in ihrem Werk die verschiedenen Arten von zwischenmenschlichen Beziehungen erforsche. Drei Videoarbeiten und 20 Gipsskulpturen sind in Berlin zu sehen.
Wer im Dezember oder im Januar im Haus am Lützowplatz war, hat die Ausstellungsräume ganz anders erlebt: Voll von Paletten, Erdhaufen und Wasserbecken. Das Künstlerkollektiv „Das Numen“, das sind Julian Charrière, Andreas Greiner, Markus Hoffmann und Felix Kiessling, hatte dazu eingeladen, biologische Systeme zu erforschen. „Das ist das Radikalste, was hier geschehen ist, seit ich hier bin“, sagt Karin Pott, während sie, kurz vor der Eröffnung Ende November 2011, über die Palettenberge klettert. „Horst Wagner hätte zu mir gesagt ‚Wer hat ’n Dir dit erlaubt’?“, sagt Pott und lacht.
Eine Idee von Brandt und Grass
Horst Wagner, Gewerkschafter und Sozialdemokrat, ist im letzten Jahr gestorben. Er hat den Verein „Haus am Lützowplatz, Fördererkreis Kulturzentrum Berlin e.V.“ mitgegründet. 1959 forderten die in Westberlin regierenden Sozialdemokraten auf ihrem Landesparteitag die Einrichtung eines Kulturclubs. „Eine Idee von Willy Brandt und Günter Grass“, erzählt Pott. Ein Jahr später beschloss der SPD-Landesvorstand die Umsetzung. Der Verein „Fördererkreis Kulturzentrum Berlin“ wurde gegründet und erwarb das Haus am Lützowplatz. Das 1873 als Wohnhaus entstandene Gebäude war seinem jüdischen Besitzer Egon Sally Fürstenberg 1938 abgekauft worden. Mit dessen Erben schloss der Fördererverein einen Vergleich, um Rückerstattungsansprüche auszugleichen.
Seitdem arbeitet der Verein daran, Kultur und Politik zusammenzubringen. Damals tatkräftig unterstützt von Willy Brandt und dem IG Metall-Vorsitzenden Otto Brenner. Schnell erlangte das Haus einen festen Platz in der Westberliner Kulturszene. Auch Karin Pott, zu dieser Zeit freie Künstlerin, hat 1988 im Haus am Lützowplatz ausgestellt. Sie riet Horst Wagner: „Mach doch was für die Künstler.“ „Lass Dir was einfallen“, habe er geantwortet. Karin Pott hat sich den IG Metall Kunstpreis einfallen lassen und ihn organisiert. Das war 1989. Es gibt ihn bis heute.
Gute Qualität – das ist das Prinzip
1991 starb der Leiter des Hauses am Lützowplatz, Konrad Jule Hammer. Karin Pott bewarb sich und übernahm ein Jahr später die Nachfolge. Da hat sie erstmal gründlich durchgelüftet, hat die Galerie für unterschiedliche Medien und Künstler geöffnet. Alt und jung, Etablierte und Nachwuchstalente und mehr Frauen. „Es muss gute Qualität sein, das ist das Prinzip“, sagt sie. Viel Arbeit sei all das und doch genau das Richtige für Pott: „Ich habe etwas gesucht, wo ich nicht in die Fußstapfen von anderen treten muss.“ Die erste von ihr kuratierte Ausstellung eröffnete im März 1993: Arbeiten der Malerin Elvira Bach.
Während Karin Pott von all den Projekten der letzten Jahre erzählt, holt sie immer wieder die zugehörigen Kataloge aus dem Bücherregal. In ihrem Büro im Haus am Lützowplatz hat sie sie alle gesammelt. Bibliophile Ausgaben, keine gleicht der anderen. Früher habe es zu jeder Schau einen Katalog gegeben, sagt Pott. Jetzt reiche das Geld nicht immer. Dennoch: Das Haus am Lützowplatz ist keine Verkaufs-Galerie, sondern eine Künstler-Förderung. So entwickelte Pott 1995 die Ausstellungsreihe „... and students“: Kunst-Professoren stellen gemeinsam mit ihren Studenten aus. Marina Abramovic´ war mit ihrer Klasse ebenso hier wie Rebecca Horn. Außerdem überließ Pott die Studiogalerie Künstlern ein ganzes Jahr lang zum Bespielen. 10 000 Mark bekamen sie dafür und konnten sich austoben. Im Moment reicht das Geld für derartige Projekte nicht.
Dennoch: „Viele von denen, die wir fördern, haben auch kein Geld“, sagt Katharina Schilling. Sie ist neben Karin Pott die einzige Angestellte. Sechs Ausstellungen im Jahr stellen sie auf die Beine. Ein Kraftakt, aber unerlässlich. „Künstler haben für Berlins Image als Kulturstadt gesorgt“, sagt Schilling.
Die Existenz des Hauses ist gesichert. SPD und IG Metall haben Anfang der 90er Jahre Büroflächen zur Vermietung im Haus gestaltet. Die Kulturstiftung der Länder zog ein und die Kulturstiftung des Bundes hat hier einen Geschäftssitz. Inzwischen ist alles vermietet, das Geld aber dennoch knapp. Doch immerhin, das Haus gehört dem Verein. 76 Mitglieder hat er derzeit – und ist offen für mehr. „Das ist ein linker Verein hier“, sagt Pott. Das kriegen die Künstler auch mit.
Seit letztem Jahr hat der „vorwärts“ seine Beziehungen zum Haus am Lützowplatz gestärkt: Drei Mal im Jahr findet hier der vorwärts-Salon statt und bringt Politik und Kultur zusammen. Wie es im Haus am Lützowplatz seit den 60ern Brauch ist.
Aktuelle Ausstellung: Bettina Disler „me and maybe you“,
bis 8. April 2012, Di-So 11 bis 18 Uhr
Goetz Schleser
ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.