Sprache ist Eigentum des Volkes und entzieht sich staatlichen wie gesetzlichen Regelungen. Ralf Bachmann seziert die deutsche Sprache der Gegenwart, der DDR, des Dritten Reichs und der Exilliteratur. Ein Buch über „Sprachbilder und Sprechblasen“.
„Es sind die Wörter, die singen, die steigen und fallen … ich liebe sie, ich schätze sie, verfolge sie, zerbeiße sie, lasse sie im Munde zergehen … so sehr liebe ich die Wörter.“ Mit dieser Liebeserklärung des chilenischen Dichters Pablo Neruda an die Sprache eröffnet Ralf Bachmann seine „Sprachbilder und Sprechblasen“, und auch sie sind eine einzige Liebeserklärung an das gesprochene und geschriebene, das gehörte und gelesene Wort.
Dabei bleibt Bachmann ganz bescheiden: Er will nur „zeigen, wie kostbar eine bildhafte, klangschöne und klare Sprache ist, wie sie unser Leben prägt und lebenswert macht“. Auch seinen Anspruch formuliert er ohne jede Eitelkeit: „Wenn der Leser am Ende lächelnd nickt und ein paar unterhaltsame Stunden hatte, bin ich schon zufrieden“ – und wer Bachmann kennt, sieht dabei seine verschmitzte Miene und hört seinen Chemnitz-Zwickauer Singsang.
Herrscher über Wörter und Wendungen
Bachmann ist in Crimmitschau geboren, einem Städtchen in Südwestsachsen, „im Bermudadreieck des Hochdeutschen“, wie er schreibt. Bachmann war Journalist, Pressesprecher und hat Bücher verfasst („Ich bin der Herr, und wer bist du“, „Die Bornsteins“, „Ich habe alles doppelt gesehen“). Obwohl der 82-Jährige kein Wort in reinem Hochdeutsch hervorbringt, beherrscht er alle Wörter und Wendungen, kennt deren Herkunft und Umfeld, formuliert stilsicher, spielt elegant mit der Sprache und versteht feinfühlig, oft scharfzüngig, mit ihr umzugehen.
Bachmanns Sprachbeobachtungen sind kenntnisreich und tiefsinnig, heiter, aber manchmal auch bissig. „Ein knappes Drittel des deutschen Wortbestands hat einen Migrationshintergrund“, schreibt er über die geläufigen Wortimporte, über die er sich unter der Überschrift „German for Sie“ gehörig lustig macht. Sogar allerjüngste in den Alltag eingeflossene Begriffe und Wortschöpfungen hat er berücksichtigt, von „Vuvuzela“ bis „guttenbergen“; nur „wulffen“ entstand erst nach Manuskriptschluss.
Die kesse Schwester des Deutschen
In einem wundervollen Ausflug werden wir belehrt über „der deutschen Sprache kesse Schwester“, das untergegangene Jiddisch. „Im Knast geht es oft nicht ganz koscher zu, und mancher Ganove kam in großen Schlamassel, weil er einen feinen Pinkel ausbaldowert hatte, der Riesenreibach machen wollte“, fabuliert Bachmann einen jiddisch durchsetzten Satz zusammen und erinnert daran, „dass das deutsch-jüdische Zusammenleben trotz Holocaust und Antisemitismus nicht ohne positive und bleibende Folgen geblieben ist“.
Der Verehrer Heinrich Heines und Else Lasker-Schülers widmet seinen Vorbildern Kurt Tucholsky und Egon Erwin Kisch und der Exil-Literatur eigene Kapitel und bringt zum Schluss überraschend zwei völlig unbekannte – verkannte? – Autoren ins Gespräch: Sie heißen Werner Kraft und Hans Sahl. Der geistreiche und vergnügliche Rundflug mit Ralf Bachmann durch die Welt der Buchstaben und Silben, Wörter und Sätze, Sprüche und Redensarten, Gedichte und Geschichten ist eine originelle, amüsante und bildende Lektüre.
Ralf Bachmann: „Sprachbilder und Sprechblasen. Heitere und ernste Überlegungen eines Sachsen zum Thema Muttersprache“. Sax Verlag, Beucha 2012, 152 Seiten, 14,80 Euro. ISBN 978-3-86729-097-5
lebt als freier Publizist in Berlin. Er war Redakteur beim Kölner Stadt-Anzeiger, bei ddp, der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau sowie Sprecher des Berliner Senats und Unternehmenssprecher.