Kultur

Liebe im Exil

von Doreen Tiepke · 26. Juli 2009
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In Ihrer Lyrik thematisiert Hilde Domin die Emigration und die damit verbundenen Entbehrungen, vor allem emotionaler Art. In ihrem ersten Gedichtband "Nur eine Rose als Stütze", der 1959 erschien, findet sich folgendes:

Ziehende Landschaft

Man muß weggehen können
und doch sein wie ein Baum:
als bliebe die Wurzel im Boden,
als zöge die Landschaft und wir ständen fest.
Man muß den Atem anhalten,
bis der Wind nachläßt
und die fremde Luft um uns zu kreisen beginnt,
bis das Spiel von Licht und Schatten,
von Grün und Blau,
die alten Muster zeigt
und wir zuhause sind,
wo es auch sei,
und niedersitzen können und uns anlehnen,
als sei es an das Grab
unserer Mutter.


Emigration

Im Jahre 1932 planen Hilde Domin und Erwin Walter Palm einen Auslandstudienaufenthalt in Italien - entgegen den Vorbehalten ihrer Familie, die eine "Reise mit dem Geliebten" völlig ablehnen und selbst vor Bestechungsversuchen nicht Halt machen: "Tante Hilde lud mich also auf 6 Monate zu sich nach London ein, versprach mir alle Herrlichkeiten der Welt, einen entzückenden Kreis, Einführung bei Professoren, reiten, und was Du nur willst." Hilde Domin lässt sich nicht abhalten und folgt ihrer großen Liebe Ende 1932 nach Rom. Der Briefwechsel, der schon vor Rom bestand, setzt sich nun rege fort.
Aus den Briefen vor der Abreise aus Deutschland ist nicht zu erkennen, ob es sich um eine politisch motivierte Ausreise handelt In ihren autobiographischen Schriften weist sie allerdings darauf hin, das es sich für sie von Anfang an um eine Auswanderung handelt: "Da entschloss ich mich, vor der Machtübernahme auszuwandern, die ich < kommen sah >, was mir den Vorwurf des <Schwarzsehers > eintrug, wenn auch nicht von meinen Eltern." (Hilde Domin: Gesammelte Autobiographische Schriften")
Domin und Palm werden wie viele andere Menschen, die von den Nazis ab 1933 systematisch verfolgt wurden, zu Emigranten. Sie ahnen nicht, dass sie erst 1954 nach Deutschland zurückkehren werden. Nach Rom, Florenz, London und die Dominikanische Republik flüchten sie vor den Nazis.

Die Dichterin

Der Band gesammelter Briefe Hilde Domins an Erwin Walter Palm aus den Jahren 1931 bis 1959 enthält eine Fülle an Geschichten. Er ist es das Zeugnis einer großen Liebe wie auch des Werdens einer Dichterin.
Das Lesen von privaten Briefen öffentlicher Personen hat immer etwas Voyeuristisches. Es berühren schon die Anreden, die Domin an Palm benutzt: "Liebster Affenpoet", "Mein liebster Pfau", "Mein liebstes Äffchen" usw. Offenbaren schon die Gedichte viel vom Innenleben der Lyrikerin Domin, so setzen die Briefe einen ganz anderen Maßstab. Alltägliches kommt zur Sprache, wie das Suchen nach einer passenden Wohnung, Krankheiten, die Arbeit und die Sehnsucht nach dem Anderen. Aber auch die Krisen der seit 1936 Verheirateten bleiben nicht unerwähnt: die Verzweiflung über Palms Ablehnung eines gemeinsamen Kindes, das Entdecken seiner Affären, sowie das Zugeständnis einer anderen gegenüber, mit ihr ein Kind zu bekommen.
Als Domin 1946 das Schreiben für sich entdeckt, ist dies auch ein Ausdruck der Verzweiflung über ihre Entwurzelung, die Trennung von der Familie und die Spannungen ihrer Ehe. Die Gedichte halfen ihr zu überleben, so schrieb sie 1958 an ihren Bruder: "Das, was der Mensch hofft, wurde für mich das eigentlich Schreckliche. Aber Leben mochte ich auch nicht mehr. Ich dachte, ich würde verrückt... Da wurden mir die Gedichte gegeben. Ich setzte den Fuß in die Luft und sie trug. Ich ging weg in eine eigene Welt."

Die Liebe eines Lebens

Der Kunsthistoriker Erwin Walter Palm schaut nicht ohne Eifersucht auf die literarischen Erfolge seiner Frau. Bis zu den Veröffentlichungen ihrer Gedichte, hatte sie, trotz Abschluss des Studiums der Diplom Volkswirtin, ihm zugearbeitet und sich sehr um die Veröffentlichung seiner lyrischen Manuskripte bemüht. Doch Palms schriftstellerische Versuche bekamen nie nur annähernd die Aufmerksamkeit, wie sie Hilde Domin zu teil wurde.
Allen Differenzen und Problemen zum Trotz ist Palm die Liebe ihres Lebens, der Ansprechpartner, dem sie selbstbewusst und voller Leidenschaft in ihren Briefen gegenübertritt: "Übrig geblieben ist nur das Eine: Ich bin, heute, so bereit wie nur irgendwann vor Dir niederzuknien, Dir die Füße zu küssen. Ich, so wie ich bin. Aber mich aufgeben, wegen einer Marotte, das kann ichnicht."
Die Briefe begleiten den Lebensweg einer stolzen Frau, die sich in den Dienst ihres Mannes stellt, ohne sich selbst dabei zu verlieren. Die Liebe zu ihm lässt sie vieles ertragen und treibt sie letztlich zu ihrer Berufung als Dichterin. Es ist nur eine Auswahl an Briefen, wie die Herausgeber betonen, aber diese beschreiben eine starke Frau auf dem Weg zu sich selbst. Dank der biographischen Eckdaten zu jedem neuen Lebensabschnitt wird das Leben der Hilde Domin für den Leser sehr anschaulich.

Dem Geliebten zum 27. August 1953
Wären meine Tränen
Perlen,
ich schenkte Dir heute
lächelnd
ein Diadem.

Doreen Tiepke
















Hilde Domin: Die Liebe im Exil: Briefe an Erwin Walter Palm aus den Jahren 1931 -1959, Hrsg: Jan Bürger und Frank Duffner, S. Fischer Verlag 2009, 379 Seiten, 19,90 Euro, ISBN: 978-3-10-015342-5 Hier bestellen...

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