Alice Schwarzer ist in Deutschland eine der bekanntesten Verfechterinnen der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Derzeit ist die Journalistin und Autorin mit ihrer Autobiografie „Lebenslauf“ auf Tour.
Alice Schwarzer betritt mit einem charmanten Lächeln die Lesebühne in der Duisburger Zentralbibliothek. Das überwiegend weibliche Publikum empfängt sie mit frenetischem Applaus. Es scheint, als habe sie ihre Zuhörerschaft schon gewonnen, bevor das erste Wort über ihre Lippen kommt. „Heute geht es um die ersten 34 Jahre meines Lebens“, sagt die Frauenrechtlerin. Im Saal wird es dunkel, eine Leselampe spendet Licht.
Als unehliches Kind erblickt Alice Schwarzer 1942 in Wuppertal-Elberfeld das Licht der Welt. „Die Frauen in meiner Familie haben wenig Hang zur Mütterlichkeit“, erzählt sie. „Da meinte neulich eine etwas giftige Dame: Dann haben sie das wohl von denen.“ Das Publikum lacht. Mit soviel Selbstironie haben die Zuschauer nicht gerechnet. Sie erzählt von Volker, ihrer ersten großen Liebe, mit dem es „sehr aufregend ist“, von Jeans-Hosen und dem Ami-Look der späten 1960er Jahre. Von Alice Schwarzer der Feministin ist sie noch weit entfernt.
Politisierung in Paris
Politisiert wird Alice Schwarzer in Paris. Sie studiert an der Universität Vinciennes, die auch Studenten ohne Hochschulreife annimmt, Psychologie und Soziologie. Gleichzeitig arbeitet Sie als Korrespondentin fürs Radio und fürs Fernsehen. Sie schreibt für Pardon, Konkret, Stern, Spiegel und den Kölner Stadtanzeiger. „Funk und Fernsehen sind neu für mich und machen mir Spaß“, erklärt sie. Bald berichtet sie über Arbeitskämpfe in den Fabriken und Bergwerken.
Alice Schwarzer schließt sich der Pariser Frauenbewegung „Mouvement des Libération des femmes“ an. Es gibt viel zu tun, in einer Gesellschaft, in der Frauen nachts nicht alleine nach Hause gehen können, ohne befürchten zu müssen in der Metro begrabscht zu werden. „Unsere Euphorie war groß, wir hatten das Gefühl, die Welt steht uns offen“, sagt Schwarzer rückblickend über diese Zeit. Sie holt die Bewegung nach Deutschland, initiiert 1971 die Stern-Aktion „Frauen gegen den §218“: Auf dem Cover des Magazins sind Fotos berühmter Frauen, Schlagzeile lautet: „Wir haben abgetrieben“.
Persönliche Diffamierung als Waffe
Spätestens mit ihrem ersten Buch „Der kleine Unterschied“ avanciert sie zur Sprecherin der Frauenbewegung und wird gleichzeitig als Männerhasserin, die keinen abbekommen habe diffamiert. Ihr Bestseller wird millionenfach verkauft und immer wieder neu aufgelegt. Doch nur in wenigen Medien wird es um Inhalte gehen.
Das Licht geht an, eine halbe Stunde lang stellt sich Alice Schwarzer den Fragen der Zuschauer. „Woher sie die unendliche Kraft für ihre Arbeit nimmt?“, möchte eine Dame wissen. Es gebe auch immer wieder schöne Momente, viel Zuspruch, sagt Schwarzer. Die persönliche Diffamierung, erläutert die Feministin, sei eine klassische Waffe, um Frauen einzuschüchtern. Doch sie lässt sich weder einschüchtern noch instrumentalisieren. Nicht von der Politik und nicht von den Medien – Alice Schwarzer geht es um die Sache.
Erst kürzlich wurde sie für ihre regelmäßige Berichterstattung in der Bild zur Causa Kachelmann scharf kritisiert. Sie habe die auflagenstarke Tageszeitung dazu nutzen wollen das Thema „Vergewaltigung in der Beziehung“ zu thematisieren. „Ich würde es jeder Zeit wieder so machen“, betont die Feministin. Und auch ihr Kommentar, dass eine Kanzlerin ein Vorbild für viele Frauen sei, brachte ihr viel Häme im linken Lager ein.
Im Gegensatz zu den Anfängen der Frauenbewegung begännen die Probleme heute später. Häufig stelle sich erst mit Beginn des Berufslebens die Frage, wie Frau Kinder und Karriere unter einen Hut bringen kann. Eine Frau im Publikum möchte wissen, wie Schwarzer zur Frauenquote in Unternehmen steht. Festlegen möchte Schwarzer sich nicht. „Die Quote ist eine Krücke, denn Männer fördern nur die Mittelmäßigkeit.“ Dennoch könne eine Quote auf Zeit ein adäquates Mittel sein, um mehr Gerechtigkeit in den deutschen Chefetagen herzustellen. Die Gleichstellung sei noch lange nicht erreicht. Doch ein Blick in andere Länder zeigt, „dass wir hier relativ gesehen im Paradies leben“, sagt Alice Schwarzer.
Alice Schwarzer: „Lebenslauf“, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011, 464 Seiten, 22,99 EUR, ISBN 978-3-462-04350-1