Der Kapitalismus ist am Ende. In „Business as usual“ prognostiziert Paul Mattick einen schmerzhaften Tod des kapitalistischen Alptraumes – und macht sich auf die Suche nach einem neuen System von Produktion und Verteilung.
Die derzeitige Wirtschaftskrise, so die nahezu einhellige Auffassung der kapitalistischen Mainstreamökonomen, ist die Folge eines aus den Fugen geratenen Finanzkapitalismus, verschärft durch hohe Verschuldung und verantwortungslose Spekulation. Und bis vor wenigen Jahren gewannen diese Ökonomen, die stets erklärten – und dies wohl auch noch selbst glaubten, – dass die Marktwirtschaft ein rationales, effizientes und sich selbst korrigierendes System sei, den Nobelpreis.
Mit Beginn der großen Depression, die 2007 in den USA mit dem Zusammenbruch des amerikanischen Hypothekenmarktes ihren Anfang nahm, habe diese Spielart „wirtschaftswissenschaftlicher Orthodoxie“ allerdings selbst in den USA an Glaubwürdigkeit verloren, schreibt der in New York Philosophie lehrende Paul Mattick in seiner neuesten Publikation, „Business as usual“.
Kompendium der politischen Ökonomie
Seit Anfang März ist dieses Buch auch auf Deutsch zu lesen und nicht nur den Lesern zu empfehlen, die dem Kapitalismus schon immer mangelnde Selbstreflexion und völlige Realitätsferne vorgeworfen haben. Wie in einem kleinen, auch für Anfänger geeigneten Kompendium der politischen Ökonomie, erklärt uns der Autor die wichtigsten Grundfehler dieses Gesellschaftssystems und verdeutlicht so, warum der Kapitalismus nicht funktionieren kann. Gleich dem bedeutendsten, unorthodoxesten und bis heute unwiderlegten Kritiker des Kapitatlismus Karl Marx erläutert Mattick,Wesen und Ursachen der Krisen. Er befasst sich mit Fragen über die Konjunkturzyklen und dem Verhältnis von Krise und Prosperität.
In nachvollziehbarer und durch einen Blick auf die historische Entwicklung verständlicher Weise legt Mattick dar, dass die Situation von 2007 sich zwangsläufig aus der Großen Depression der 1970er Jahre ergeben musste. Beide Spielarten des sowohl in den USA als auch in Europa in den letzten 40 Jahren praktizierten Kapitalismus, einerseits die keynesianische – „durch fortgesetzte intravenöse staatliche Injektionen in das Finanzsystem“ – als auch die neoliberale Variante – „abwarten bis die Selbstheilungskräfte des Marktes zu wirken beginnen“ – entzogen sich in zunehmendem Maße jeglicher Stabilisierung.
Voraussehbare Entwicklung
Da nicht die Produktion nützlicher Dinge der Zweck des Kapitalismus ist, sondern einzig und allein die Erhöhung von Profitraten und die Vermehrung des Kapitals, war die Entwicklung hin zu den Finanzblasen, die 2007 platzten, zwangsläufig und prinzipiell voraussehbar. Verstärkt und beschleunigt wurde diese Entwicklung, – auch hier kann dem Autor nur schwer widersprochen werden – durch ein gravierendes Defizit des politischen Systems.
In der freien Marktwirtschaft fallen alle relevanten Entscheidungen seit je her in den transnationalen Konzernzentralen. Allerdings werden dem Staat die Verantwortung für die – aus gesamtgesellschaftlicher –Perspektive – Fehlentscheidungen, die etwa zu Massenarbeitslosigkeit, Armut, Inflation und ähnlichem führen, untergeschoben. Da die politischen Parteien stets auf einen Machtwechsel hofften, unterstützten sie dieses Verhalten bereitwillig, argumentiert Mattick.
Karls Marx argumentierte im 1867 erschienen ersten Band seines Hauptwerks „Das Kapital“, dass das Wesen des Kapitalismus eine Tendenz zur Krise zeitige, die sich in beständig wiederkehrenden Depressionen realisiere, die schließlich zum Untergang des Systems führten. Paul Mattick kommt in seiner Analyse zu demselben Ergebnis. Den Todesstoß schließlich werde diesem Gesellschaftssystem die sich anbahnende ökologische Katastrophe geben, die dem Autor zufolge gar die Existenz der menschlichen Gattung in seiner Gesamtheit in Frage stellen könnte.
Alternative zum Mainstream-Ökonimismus
Im Unterschied zum berühmten Vater des Autors, dem 1981 verstorbenen Rätekommunisten Paul Mattick, hält Mattick Junior sich nicht für einen Kommunisten. Alle linken antikapitalistischen Gegenvorstellungen, egal ob sozialistisch, anarchistisch oder kommunistisch sind aus seiner Sicht gescheitert. „Die Linke existiert nicht mehr“, schreibt Mattick. Aber, so muss er sich fragen lassen, was will er stattdessen? Was ist die Alternative zu dem alles zerstörenden, die Menschheit und den Planeten vernichtenden Kapitalismus?
Wenn es bei Unternehmen und dem Staat zunehmend weniger bezahlte Beschäftigung gibt, würden die Menschen schon auf den Gedanken kommen, dass sich die Produktion und Verteilung der benötigten Güter und Dienstleistungen auch ohne den Zwang, Profite erzielen zu müssen, organisieren lassen, schreibt Mattick. Dass kein Kapitalist und kein Staat der Erde einem solchen Treben tatenlos zusehen würde, deutet der Autor hier nur an. Aber eine Konkretisierung dieser radikalen Umgestaltung würde auch den Rahmen seines Buches bei weitem sprengen.
Paul Mattick differenziert nicht immer mit der gebotenen Sorgfalt die ökonomischen Begriffe Rezession und Depression, sondern übernimmt sie häufig unhinterfragt von den von ihm zitierten Autoren. Und auch seine Auffassung über den Zustand der Linken muss man nicht teilen. Zudem liest sich die deutsche Übersetzung an manchen Stellen etwas holprig. Aber all das sind Marginalien. Matticks Buch ist eine unbedingt zu empfehlende Alternative zu den aktuellen Krisenlösungsphantasien des Mainstream-Ökonomismus.
Paul Mattick: Business as usual. Krise und Scheitern des Kapitalismus. Edition Nautilus 2012, 160 Seiten, 12,90 Euro, ISBN: 978-3-89401-754-5