Kultur

„Leben nach dem Prinzip links“

von Die Redaktion · 4. Oktober 2006
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Gerda und Hermann Weber haben eine bewegte Vergangenheit. In den 50er Jahren saßen sie in Westdeutschland im Gefängnis, weil man sie illegaler kommunistischer Tätigkeiten verdächtigte. Doch bereits zu dieser Zeit hatten sie sich innerlich zunächst vom Stalinismus, schließlich auch vom Kommunismus distanziert. Als heimatlose Linke fanden sie später den Weg in die SPD. Hermann Weber wurde zudem ein bekannter DDR-Forscher an der Universität Mannheim. Mehrfach konnte er der SED im Rahmen seiner wissenschaftlichen Arbeit Geschichtsfälschung nachweisen.

So weit die Fakten. Aber wie stellte sich der Alltag des Ehepaares tatsächlich dar? Im Gespräch mit Markus Meckel gaben sie Einblicke, wie sie auch im Buch festgehalten sind. Meckel erläuterte "Das Buch ist zum einen ein Bericht von Historikern, zum anderen enthält es aber auch sehr viele persönliche Aspekte." Dies verdeutliche der Arbeitstitel des Buches, "Wer ist verrückt - ich oder die Welt?", ein Zitat des früheren KPD-Vorsitzenden Heinrich Brandler.

Gerda Weber erklärte: "Die Welt war manchmal zum Verrücktwerden, aber wir haben uns nicht verrückt machen lassen." Als politische Menschen hätten sie konsequent nach dem "Prinzip links" gelebt. Dieses Prinzip sei für sie gelebte Solidarität, Humanität und die Idee der Aufklärung. Hermann Weber ergänzte: "Bereits in den Nachkriegsjahren war uns bewusst, dass der Stalinismus all diese Werte nicht verkörperte." Deshalb hatte sich das Ehepaar schon vor der Haft innerlich vom Kommunismus gelöst. Der offizielle Bruch erfolgte aber erst, nachdem sie wieder frei waren. Wie schwer es für das Ehepaar war, nach der Haft wieder Fuß zu fassen, schilderte Gerda Weber sehr anschaulich: "Wir hatten gar nichts, als wir aus dem Gefängnis kamen. Wir waren arm wie Kirchenmäuse." Wenn sie Arbeit suchten, seien sie sofort mit der Frage konfrontiert worden: "Wo kommst du her?" Auch ihr Freundeskreis sei keine Hilfe gewesen. Denn man habe ja keine Freunde mehr gehabt, wie Hermann Weber betonte. "Wir waren wie Ausgestoßene, denn unsere früheren Freunde waren alles Kommunisten."

Gerda Weber erzählte stolz, wie dem Paar dennoch die Integration in die Gesellschaft gelang. "Ich habe mir einen Hausierschein besorgt und fünf Jahre lang Staubsauger und Waschmaschinen verkauft. So haben wir schließlich wieder Tritt gefasst." Für Hermann Weber reichte der Weg bis zum Professor. Wohl auch auf Grund seiner eigenen Erfahrungen wurde sein Spezialgebiet die Geschichte der DDR. Im Rahmen seiner wissenschaftlichen Tätigkeit konnte er der SED mehrfach Geschichtsfälschung vorweisen. So hat er mehrere Artikel und auch das Buch "Ulbricht fälscht Geschichte" veröffentlicht - seine Antwort auf die 1963 von der DDR-Führung herausgegebene "Geschichte der SED". Durchaus mit Konsequenzen, denn die SED musste die gröbsten Geschichtsfälschungen zurücknehmen. Seine wissenschaftlichen Arbeiten hatten für Hermann Weber aber auch zur Folge, dass er von Stasispionen bespitzelt wurde. "Was mein Buch alles ausgelöst hat, ist heute in den Archiven zu sehen", betonte der Historiker. Es freue ihn als Wissenschaftler, dass seine Arbeit nicht ganz vergebens gewesen sei. "Das hält gesund und munter, wie sie an mir unschwer sehen können", resümierte der 78-Jährige.

Jürgen Dierkes



Hermann und Gerda Weber: Leben nach dem "Prinzip links", Ch. Links Verlag, Berlin 2006, 480 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 3-86153-405-3

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