Kultur

„Kultur ist unsere Zukunft“

von ohne Autor · 25. September 2007
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"Wir sind ein Wirtschaftsfaktor", betonte Tim Renner. Der Geschäftsführer der Motor Entertainment GmbH unterstrich, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft mittlerweile ein größerer Wirtschaftszweig sei als die Automobilindustrie. Die Kreativwirtschaft sei sowohl in Deutschland als auch in der EU ein unglaublich boomender Bereich, unterstrich auch Professor Olaf Schwencke, Präsident der deutschen Vereinigung der Europäischen Kulturstiftung. Es bestünde allerdings die Gefahr, dass die Erfordernisse der Kreativwirtschaft eines Tages auch die Kulturpolitik bestimmten. Die Sozialdemokratie mit ihrem Nachdenken über Kultur sei die einzige Kraft, die hier nachhaltige Lösungen biete.

"Graswurzeln" subventionieren

Die Bedeutung der Kultur für das deutsche Bruttosozialprodukt hob Prof. Martin Roth, Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlung Dresden, hervor. Der wachsende Kunstsektor brauche allerdings entsprechend mehr Fördergelder, erklärte die Geschäftsführerin der Rheinsberger Musikakademie Dr. Ulrike Liedtke.

"Excellence and Underground" nannte Tim Renner ein mögliches Fördermodell: wichtige Aushängeschilder der Kultur und den kreativen Nachwuchs, die "Graswurzeln", subventionieren. Qualität war für alle Diskussionsteilnehmer das entscheidende Kriterium für die Förderungswürdigkeit von Kunst. Matthias Lilienthal, der Künstlerische Leiter des "Hebbel am Ufer", plädierte für eine etwas kleinere Zahl gut finanzierter, statt einer größeren Anzahl schlecht finanzierter Institutionen.

Kulturelle Subventionen lohnen sich: Tim Renner unterstrich, dass an Kunst auch mitverdient werden könne. Ein Teil dessen, was Kultur erwirtschafte, fließe ins staatliche Budget zurück - etwa über den Tourismus. "Ausgaben für Kultur sind nicht Subventionen, sondern Investitionen", fasste Wolfgang Thierse zusammen.

Schule umkrempeln

Diskutiert wurde auch, wie schwierig es sei, die Jugend anzusprechen. "Wir verlieren unsere Existenzberechtigung, wenn wir an eine ganze Generation nicht herankommen", betonte Ulrike Liedke. Kinder und Jugendliche müssten möglichst früh an Kultur herangeführt werden, um Schwellenängste zu überwinden, erklärte Martin Roth. Dafür sei ein "Umkrempeln der Schulen" nötig, hob Ulrike Liedke hervor. Tim Renner plädierte dafür, sich auf die Lebenswirklichkeit der Jugendlichen einzulassen, und sie "dort abholen wo sie sind".

Kultur leben

Bildung und Kultur seien integrale Bestandteile des vorsorgenden Sozialstaats, betonte Kurt Beck. Die zentrale Bedeutung von Kultur für Demokratie unterstreiche auch der kulturpolitische Leitantrag der SPD "Kultur ist unsere Zukunft". Er werde auf dem Hamburger Parteitag einen kulturpolitischen Schwerpunkt setzten. Schließlich sei eine Sozialpolitik ohne kulturelle Dimension immer unvollständig. In diesem Sinne lud Kurt Beck zum intensiven Austausch zwischen Politikern und Kulturschaffenden ein.

"Wir wollen eine öffnende, einladende Form von Kultur leben", betonte der SPD-Chef und hob die Integrationsfunktion von Kultur hervor. Gleichzeitig seien die Sozialdemokraten sich ihrer historischen Verantwortung bewusst: Eine lebendige Erinnerungskultur müsse Diktatur und Terror aufarbeiten und demokratische Werte erfahrbar machen. Sie sei zentral für ein Zusammenwachsen in Deutschland und in Europa.

Gemeinsam erinnern

Ein gemeinsames Erinnern an die europäische Geschichte forderte auch Dr. Knut Nevermann, Staatssekretär für Wissenschaft und Kunst in Sachsen. Die Erinnerung an die wechselhafte Geschichte der EU würde heutzutage oft instrumentalisiert. Eins Beispiel dafür seien die momentanen Spannungen zwischen Deutschland, Tschechien und Polen. Was sich da abspiele, sei schlichtweg eine Katastrophe. Die internationalen Beziehungen zwischen Künstlern müssten nicht durch Brüssel gefördert werden, die existierten längst. Vielmehr sei darauf zu achten, dass die Kunst nicht von x- Gremien zerstört werde. Künstler müssten frei agieren können. Sie dürften nicht gegängelt werden.

Jörg Stüdemann, der für den Kulturbereich der Stadt Dortmund zuständig ist, forderte ein Umdenken der Kulturpolitik. Die engagierte Auseinandersetzung mit der Kultur und Kunst der Migranten sei überfällig.

Am Austausch partizipieren

Es dürfe nicht vergessen werden, dass Kultur vor allem in den Regionen und Kommunen stattfinde, unterstrich Professor Olaf Schwencke. Bisher sei die Kulturpolitik der einzelnen Städte nicht ausreichend gewürdigt worden. Dabei sei gerade diese Ausdruck der europäischen Kulturpolitik, die man so dringend bräuchte. Die Oberbürgermeisterin von Chemnitz, Barbara Ludwig, strich die Bedeutung von Städtepartnerschaften heraus. Die Bürger müssten viel stärker am kulturellen Austausch partizipieren können.

Den Eigenwert von Kunst und Kultur anzuerkennen, verlangte die Kulturstaatsrätin der Freien Hansestadt Bremen, Carmen Emigholz, entschieden. Anschließenden diskutierten die Teilnehmer noch einzelne, kommunale Programme der Kulturförderung und die extrem schwierigen Gesetze der Geldvergabe durch die EU.

Die Kulturpolitische Jahrestagung ermöglichte einen lebendigen Austausch zwischen Kulturschaffenden und politisch Verantwortlichen. Sie bot Raum, Probleme aufzuzeigen und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Der kulturpolitische Leitantrag der SPD rückt die wichtige Verbindung von Politik und Kultur zusätzlich in den Vordergrund.

Birgit Güll/ Maxi Hönigschmid

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