Kultur in Europa: Für die SPD schützenswert und identitätsstiftend
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„Der Begriff der Heimat hat sich über Grenzen hinweg weiterentwickelt“, sagt die SPD-Europaabgeordnete Petra Kammerevert bei der Veranstaltung „Europa kreativ“ der Friedrich-Ebert-Stiftung am Mittwoch. Kammerevert fügt hinzu: „Durch Europa ist es egal, wo und wie wir ein Zuhause aufbauen. Kunst und Kultur vermitteln Zusammengehörigkeit und geben Orientierung.“
Kultur verbindet
Kammerevert sieht Kunst und Kultur als Schlüsselrolle für die Identität im eigenen Umfeld und darüber hinaus: „Kultur verbindet Menschen auf der ganzen Welt.“ Diese Verbindung über Grenzen hinweg sei auch notwendig, um Probleme wie den Klimawandel anzugehen. Globale Probleme, so Kammerevert, könne man nur gemeinsam lösen.
Annika Klose, Landesvorsitzende der Jusos Berlin, sieht das ähnlich. Sie glaubt, die Kräfte der europäischen Jugend können gebündelt werden, indem man Staatsgrenzen überwindet: „Programme zum Austausch von Jugendlichen in ganz Europa sind extrem wichtig, um der jungen Zivilgesellschaft die Möglichkeit zu geben, sich zu organisieren.“ Die Zivilgesellschaft könne auch Teil einer kulturellen Bewegung sein.
Kultur kann exklusiv sein
Klose gibt zu bedenken: „Die Teilnahme an Jugendaustauschen ist mit hohen Kosten verbunden, weshalb es sehr schwer ist, sich in Europa zu vernetzen.“ Das kulturelle Angebot, welches Europa bietet, stelle sich als exklusiv heraus, was auch Kammerevert feststellt: „Vor allem Jugendliche verlieren den Bezug zur Kultur. Sie haben das Gefühl, Kultur sei ein Eliteprojekt. Es sollten jedoch alle Menschen Zugang dazu finden können.“ Dabei spiele nicht nur Geld eine Rolle, sondern auch, dass Kunst und Kultur häufig nicht den Interessenbereich aller Gesellschaftsgruppen treffe.
Lillian Engelmann, Geschäftsführerin der „neuen Gesellschaft bildende Kunst“, sagt: „Kulturelle Betriebe sollten sich immer nach den Bedürfnissen der Konsumenten richten. Erst dann ist Teilhabe gegeben.“ Dazu müsse sich jeder Kulturschaffende die Frage stellen: „Wie ausgrenzend ist der Kulturbetrieb?“ Weiter ist Engelmann der Meinung, dass Kulturbetriebe bereits „nach innen demokratische Werte aufzeigen“ sollten.
Verantwortung der Kulturbetriebe
Kulturbetriebe haben, so Engelmann, eine Verpflichtung gegenüber dem Grundgesetz und der Gesellschaft. „In der Kunst gibt es immer mehr Leute, die an der Renationalisierung der Kultur arbeiten. Das wollten einige Künstler nicht mit sich machen lassen.“ Viele Kulturtreibenden aus Berlin fühlten sich durch den Aufschwung nationaler Strömungen in ihrer Kunstfreiheit bedroht. Aus diesem Grund hat der Verein „Die Vielen“ die „Erklärung der Vielen“ formuliert. Diese richtet sich an alle Kulturschaffenden, die sich zum Grundgesetz und gegen rechte Hetze bekennen. Mittlerweile verpflichten sich mehr als 140 Kulturinstitutionen der Erklärung.
Auch der Künstler Manaf Halbouni nimmt diese gesellschaftliche Aufgabe wahr. Halbouni wohnt in Dresden und erlebte den Aufschwung der Pegida-Bewegung mit. „Wir müssen wieder zusammenfinden“, fordert er. Seine Kunst sei oft ein Statement. Zum Beispiel habe er auf dem Theaterplatz in Dresden ein Kunstwerk installiert, welches er „Sachse auf der Flucht“ nenne. Zu dieser Kunstaktion bestückte er ein Auto mit typischen Habseligkeiten, die ein Sachse bei einer Flucht mit sich tragen würde und forderte Menschen aus Dresden dazu auf, sich mit dem Auto fotografieren zu lassen. In diesem Zusammenhang bestärkt Halbouni die Zivilgesellschaft darin, sich gegen Rechtspopulismus zur Wehr zu setzen.
Annika Klose sieht vor allem bei den europaweiten TTIP-Protesten das Potential der Zivilgesellschaft, etwas zu verbessern. Auch die Seenotrettung hält Klose für einen wichtigen Teil der ehrenamtlichen Arbeit. Sie selbst verbrachte im September 2017 zwei Wochen auf dem Schiff „Sea-Eye“, um Geflüchteten an der lybischen Küste zu helfen. Schiffe wie diese durften häufig nicht an europäischen Häfen anlegen, ein Schiff der Frontex zum Beispiel konnte im Juli 2018 weder in Italien, noch in Malta anlegen. Diese Praktiken prangert Klose an: „Es ist ein Skandal, dass die Zivilgesellschaft dafür sorgen muss, dass Menschen nicht im Mittelmeer ersaufen.“ Klose fordert deshalb die EU-Kommission dazu auf, Häfen in Europa zu bestimmen, an denen Flüchtlingsschiffe sicher anlegen können. Damit soll die Zivilgesellschaft entlastet werden.
studiert Sozialwissenschaften und war im Frühjahr 2019 Praktikantin beim vorwärts-Verlag.