Kultur

Kriege wegen Klimawandel

von Die Redaktion · 7. Mai 2008

Der Autor Welzer zeichnet ein pessimistisches Bild. Die härtesten Klimafolgen würden Gesellschaften mit den geringsten Bewältigungsmöglichkeiten treffen. Die weltweite Migration werde im Laufe des 21. Jahrhunderts dramatisch zunehmen. Das werde jene Gesellschaften zu radikalen Problemlösungen veranlassen, in denen der Migrationsdruck als Bedrohung empfunden wird. Denn in der Art und Weise, wie Menschen auf Probleme reagieren, sei Gewalt immer eine Option menschlichen Handelns. Das 21.Jahrhundert sei in Ermangelung zukunftsfähiger Gesellschaftsmodelle utopiefern und ressourcennah. Es werde getötet, weil die Täter jene Ressourcen beanspruchen, die die Opfer haben oder auch nur haben möchten. Als Beispiele nennt er rückblickend Ruanda und Dafur.

Und wie sähe Welzer zufolge Abhilfe aus? Seine Utopie: Eine ganz neue Kultur der Partizipation, die heute noch undenkbar erscheint, aber dringend gedacht werden muss. Der Klimawandel könnte der Start für einen grundlegenden kulturellen Wandel sein, in dem die Reduktion von Verschwendung und Gewalt nicht als Verlust gesehen wird, sondern als Gewinn. Den westlichen Kulturen attestiert er, nichts aus den Lektionen des zwanzigsten Jahrhunderts gelernt zu haben. Sie schwören auf Humanität, Vernunft und Recht. Diese drei Regulierungen seien historisch aber jedem Angriff erlegen, wenn er nur heftig genug ausfiel. Wie anders sei das Fernhalten von Flüchtlingsströmen durch reiche Gesellschaften zu erklären? Der Mensch scheint in seinem Überlebensinstinkt - wenn auch nur vermeintlichem - für immer gefangen zu sein.

Zukunft der Gewalt

Neue Ressourcenkämpfe bahnen sich an: Da das Eis schmilzt, werden Rohstoff-Vorkommnisse zugänglich, die bisher unerreichbar schienen. Es sei ungeklärt, wer diese "ausbeuten" darf. In Haiti kommt es wegen steigender Lebensmittelpreise zu Straßenschlachten. Die Ärmsten können sich kaum noch das Nötigste leisten, weil dort statt Weizen und Reis Nutzpflanzen für Biokraftstoffe angebaut werden. Das Ziel, den Klimawandel zu stoppen, bringt so arme Länder um ihre Grundversorgung.

Harald Welzer prophezeit mit seinem Buch eine große Zukunft der Gewalt im 21. Jahrhundert. Er empfiehlt daher, statt über Klimamodelle zu diskutieren, in Anpassungsmaßnahmen zu investieren und über globale Gerechtigkeit nachzudenken. Solange sich Menschen aus reichen Ländern dem Kleinmut hingeben und ärmere am Klimawandel noch mehr verzweifeln, wird kein Ausweg gefunden.

Harald Welzer, Klimakriege, S. Fischer Verlag, 335 Seiten, ISBN 978-3100894335, 19,90 Euro

Selda Göktas

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