Kultur

Klaus Staeck - ein einzigartiger Akademiepräsident

Der Grafiker und Verleger Klaus Staeck, jetzt 77-jährig, war neun Jahre Präsident der Berliner Akademie der Künste. Am 30. Mai wird seine Nachfolgerin gewählt, von der Filmregisseurin und Drehbuchautorin Jeanine Meerapfel und der Schriftstellerin Kathrin Röggla ist die Rede.
von Klaus-Jürgen Scherer · 28. Mai 2015

Das wäre jedenfalls etwas Neues, eine Frau an der Spitze dieser altehrwürdigen Institution, gegründet 1696 von Kurfürst Friedrich III., dem späteren preußischen König Friedrich I; eine Frau in der Nachfolge des Bildhauers Johann Gottfried Schadow, des Malers Max Liebermann, des Filmregisseurs Konrad Wolf (Ost), des Architekten Hans Scharoun (West), des Literaten und Rhetorikprofessors Walter Jens und des Schriftstellers György Konrád, um nur einige zu nennen. Bei Staeck gab es immerhin bereits eine Stellvertreterin, die Theaterdirektorin Nele Hertling.

Eine außerordentlich erfolgreiche Amtszeit

Mit Klaus Staeck nahm die Akademie ihren Auftrag, „die Künste zu fördern und die Sache der Kunst in der Gesellschaft zu vertreten“ wieder ernst, wurde wieder wahrnehmbar, und rückte oft gar ins Zentrum der kulturellen, kulturpolitischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung: Beispielsweise durch über sechzig Akademie-Gespräche zu aktuellen Themen der Zeit, die die öffentliche Debatte beförderten. Kaum eine Kontroverse wurde ausgelassen - spektakulär etwa der schwierige Gesprächsversuch zwischen führenden Karikaturisten und dem Vorsitzenden des Islamrates Ayman Mazyek über Mohammed-Karikaturen nach den Charlie-Hebdo-Attentaten.

Oder durch eine einzigartige Ausstellungen: Bis zum 7. Juni zeigt Klaus Staeck selbst im Hanseatenweg seine große Sammlung unter dem Motto „Kunst für alle“. Er gibt Einblicke in seine eigene Sturm-und-Drang-Periode der westdeutschen sechziger Jahre, präsentiert Objekte von Joseph Beuys über Christo, Sigmar Polke und Kirsten Klöckner bis Jörg Immendorf und Gerhard Richter, stellt seine satirisch-politischen Aktionen, Postkarten und Plakate vor; manches davon ist ungeheuer tagesaktuell, so etwa Amazon, Google, Facebook und Apple als die vier apokalyptischen Reiter nach Albrecht Dürer. Zwingend zu erwähnen ist auch das Projekt „Kunstwelten“, mit dem Akademiemitglieder in ostdeutsche Schulen gehen, um die streitbare Auseinandersetzung, die gelebte Demokratie zu üben, dort, wo mancher von demokratiefreien Zonen spricht, wo Leuten, die sich mit den Rechten angelegt haben, geraten wird, doch wegzuziehen.

Einmischen als Lebensmotto

Einmischung als erste Bürgerpflicht, denn nichts ist erledigt! Das ist von jeher das Lebensmotto von Klaus Staeck. Damit hat er als Plakatkünstler das visuelle Gedächtnis der Bundesrepublik geprägt. Und die SPD hat in ihm einen Mitstreiter gefunden, der im Diskurs der Öffentlichkeit, in zahllosen Essays und Reden, mit der „Aktion für mehr Demokratie“, in regelmäßigen Wahlaufrufen, in Gesprächen an der SPD-Basis und mit der Parteispitze, auch gemeinsam mit anderen prominenten Unterstützern seine Anliegen und Überzeugungen immer wieder heftig und offen vorträgt. Seinen unermüdlichen Einsatz für Demokratie und Gerechtigkeit, für die Themen von allgemeinem Interesse, die sonst unter die Räder kämen, würdigte auch die August-Bebel-Stiftung, die ihm jüngst im Willy-Brandt-Haus ihren noch von Günter Grass spendierten Preis verlieh.

Ein unabhängiger Geist und Jurist

Seine Glaubwürdigkeit kommt aus seiner Unabhängigkeit, seinen festen Grundanschauungen und seiner Aufrichtigkeit: ob es da um in vielen Ländern verfolgte Künstler geht, um die Missachtung der Demokratie durch Geheimdienste, um deutsche Dominanz und Arroganz gegenüber Griechenland oder um die Verteidigung des Urheberrechts auch in digitalen Zeiten. Sein Hauptthema der letzten Monate, denn von Demokratie und Recht - er ist Jurist – versteht er etwas, war die Kritik am geplanten EU-USA-Freihandelsabkommen TTIP. Nicht nur, weil die amerikanische Medien-, Internet- und Unterhaltungsindustrie keine besseren Zugänge zu hiesigen Kulturmärkten bekommen sollte, sondern vor allem, weil mit den Schiedsgerichten, die auch Sigmar Gabriel nicht wie ursprünglich geplant will, Demokratie und Parlamente ausgehebelt würden.

Empfehlungen für die Nachfolge

Klaus Staeck hat seinen Nachfolgerinnen bereits drei Ratschläge, die im Grunde auf sein eigenes, erfolgreiches Programm der letzten Jahre verweisen, mit auf den Weg gegeben:

  • Die Verteidigung der Kunst und Kultur auf allen Ebenen, denn gerade in der öffentlichen Förderung liegt ein Baustein unserer Demokratie. Kultur als öffentliches Gut ist übrigens durch Globalisierung, Schuldenbremsen, Liberalisierung und Digitalisierung gefährdeter denn je.
  • Die gesellschaftliche Verantwortung der Akademie, die seit einem Jahrzehnt von der Bundeskulturpolitik finanziert, sich schon deshalb nicht im Elfenbeinturm einrichten darf, sondern der Gesellschaft, dem Steuerzahler etwas – natürlich im Sinne demokratischer Veränderung – zurückgeben muss.
  • Schließlich die Verteidigung des öffentlichen Raumes, der freien demokratischen Auseinandersetzung des Geistes und der Kultur – was das Gegenteil zur Merkel‘schen Entpolitisierung und Einschläferung ist, einer fatalen Scheinberuhigung, die Demokratie auf Dauer beschädigt.

Seine Erfahrung wird weiter gebraucht

Jetzt bleibt zu hoffen, dass Klaus Staeck seine vielleicht etwas längeren Momente in Heidelberg zu vermehrten kreativen Attacken nutzen wird und dass wir bald weitere zum Nachdenken anregenden satirischen Kunstwerke und Ausstellungen erleben dürfen - was ist eigentlich mit den kleinen fotographischen Portraits, die Staeck seit Jahren ständig von allen Menschen ihm gegenüber schießt?. Vor allem hoffen wir, dass er seine Bahncard weiterhin nutzen wird, um regelmäßig in Berlin einzugreifen, denn wir brauchen seine Erfahrung, Orientierung, klare Stimme und heiteren Denkanstöße in der durch das Digitale nicht leichter gewordenen Welt der  Beeinflussung, Unübersichtlichkeit und Verwirrung.

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Autor*in
Klaus-Jürgen Scherer

ist Redakteur der Neuen Gesellschaft/Frankfurter Hefte.

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