Klaus Staeck: „Die Kunst findet nicht im Saale statt“
"Nichts ist erledigt“, sagt Klaus Staeck als er in der Neuen Nationalgalerie über die aktuelle Ausstellung spricht. Es ist eine dieser Klaus-Staeck-Aussagen. Der 76-Jährige weiß, dass er die Welt mit seinen Plakaten nicht verändern kann. Aber er will es wenigstens versuchen. Seit Jahrzehnten macht der Künstler und heutige Präsident der Akademie der Künste mit seinen Arbeiten auf Missstände aufmerksam – von der Umweltverschmutzung über den Fremdenhass bis hin zu den wilden Auswüchsen des Kapitalismus. Erledigt ist nichts.
„Ich kann das Leben nur mit Ironie ertragen“
„Ich finde jeden Tag zehn Gründe zu resignieren“, sagt Staeck auf der Pressekonferenz zur Ausstellungs-Eröffnung. Er finde aber immer genug Gründe weiterzumachen: „Scheitern kann man immer. Aber es nicht versucht zu haben, halte ich für strafbar.“ Sein Mittel ist die Satire. „Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen“, plakatiert Staeck zu den Bundestagswahlen 1972. Es ist eines dieser berühmten Staeck-Plakate.
„Ich kann das Leben nur mit Ironie ertragen“, sagt Staeck. Seit seiner Kindheit leide er unter Ungerechtigkeit. Mit seinen Mitteln versucht er sie zu bekämpfen. Er riskiert viel. 41 Prozesse hat er hinter sich. Der studierte Jurist Staeck hat sie alle gewonnen.
Plakate, die einen Nerv treffen
Das aktuellste Plakat der Ausstellung ist dieses Jahr entstanden. Man sieht aufgerissene Pappe, darüber steht „nie mehr amazon“, der Name des Konzerns ist halb zerrissen. Deutliche Kritik an dem Großkonzern und seinen Methoden, die bereits Gewerkschaften und Verlage auf den Plan gerufen haben. Und jetzt Staeck, mit diesem Plakat, das so schlicht wie treffsicher ist. In den nächsten drei Wochen wird es an den Berliner Litfasssäulen zu sehen sein.
Hier schließt sich ein Kreis. 1971 beginnt Staecks politische Kunst auf Litfasssäulen in Nürnberg. Auf den Plakaten – selbst finanziert, wie meist bei Staeck – ist Dürers Mutter zu sehen, eine ausgemergelte alte Frau, gezeichnet von ihrem weltberühmten Sohn. „Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?“ steht in roter Schrift auf dem Plakat. In Nürnberg wird damals der 500. Geburtstag Albrecht Dürers mit einer großen Ausstellung gewürdigt. Zugleich findet in der Stadt ein Maklerkongress statt. Staecks Plakat trifft einen Nerv.
Leben in der Bude
Jetzt ist Staeck wieder im öffentlichen Raum zu sehen. Beschlossen wurde das im Januar. In Sarah Wieners Restaurant haben Klaus Staeck und Udo Kittelmann, der Direktor der Nationalgalerie, sich getroffen. Bei der Pressekonferenz präsentiert Staeck die Rechnung des Treffens: Für 18,50 Euro wurde konsumiert. Auf dem Bon hat Staeck Kittelmann unterzeichnen lassen, dass die Ausstellung stattfinden wird.
Der 76-Jährige freut sich über die Ausstellung. Er wolle Leben in die Bude bringen, sagt er. Und wenn er Missstände sieht, prangert er sie an. Das war 1971 so und das ist 2014 so. Staeck bleibt wütend. Heute ist er es „mit dem Zorn eines alten Mannes, der Sie überrollt, wenn Sie nicht aufpassen.“
Bis zum 31. August sind die Staeck-Plakate zu sehen. Eine Liste aller Standorte gibt es in den Häusern der Nationalgalerie
Goetz Schleser
ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.