Kultur

Klara Hitlers jüdischer Arzt

von Alexander Sewohl · 8. Dezember 2008
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Über knapp 500 Seiten schildert Brigitte Hamann das Leben Eduard Blochs, das 1872 in Südböhmen begann und 1945 in New York endete,. Nach seinem Studium in Prag, verschlug es Bloch ins oberösterreichische Linz, wo er in einem Garnisonsspital seinen Militärdienst leistete. Nach dem aktiven Dienst blieb er in Linz, gründete eine Familie und ließ sich als Arzt nieder. Dort behandelte er die an Krebs erkrankte Klara Hitler bis zu deren Tod 1907. In diesem Zusammenhang lernte er den jugendlichen Adolf Hitler kennen. Diese Bekanntschaft sollte für Bloch von zentraler Bedeutung werden, als 1938 die Nazis in Österreich einmarschierten und die Nürnberger Rassegesetze umgehend für jüdische Österreicher galten. Bloch erhielt einige Privilegien: So musste er keinen "Judenstern" tragen, durfte seine Familie ihre Wohnung behalten. Aufgeben musste er hingegen seine Arzttätigkeit. Auch sein Erspartes verlor er, als er schließlich mit seiner Frau Ende 1940 in die USA auswanderte.

Kaum Kontakt
Der Titel des Buches irritiert, da Bloch als "Hitlers Edeljude" bezeichnet wird. Dies impliziert, dass Bloch zu Hitler gehörte bzw. sich in seinem Umfeld bewegte. Dies war jedoch nicht der Fall: Nachdem Hitler in jungen Jahren Wien verlassen hatte, sind sich Bloch und er nie wieder begegnet. Lediglich zwei Postkarten, die Hitler Bloch noch vor dem Ersten Weltkrieg zusandte, zeugen von ihrem letzten Kontakt. Nachdem Österreich annektiert wurde, vermied Hitler, in Linz auf den ehemaligen Arzt seiner Mutter zu treffen. Dies erweckt auch die Frage, inwieweit die wenigen Privilegien, die Bloch gegenüber seinen Glaubens- und Leidensgenossen zugestanden wurden, von Hitler selbst oder von seinem direkten Umfeld angeordnet worden waren. Nach Brigitte Hamann musste es dafür eine "Extraverfügung von allerhöchster Stelle" geben (S. 327). Den Beleg dafür bleibt sie dem Leser indes schuldig. Vorstellbar wäre durchaus auch, dass die zuständigen Gestapo-Stellen in Wien und Linz in vorauseilendem Gehorsam oder aus Furcht vor Hitlers Missfallen Bloch einfach in Ruhe ließen. Darüber hinaus sollte der NS-Begriff "Edeljude" in Anführungszeichen gesetzt werden.

Spärliche Quellenlage
Eduard Blochs unveröffentlichte Memoiren und die Auskünfte seiner Nachfahren, zu denen Hamann Kontakt aufnehmen konnte, bilden die Grundlage des Buches. Aus dem Gegensatz zwischen dem großen Umfang der Biographie und der eher spärlichen Quellenlage resultiert die größte Schwäche der Arbeit. Sie wirkt künstlich aufgebläht. Um Seiten zu füllen, verliert sich die Autorin auf belanglosen Nebenschauplätzen. Sicher, in die Recherche zu dieser Biographie hat Frau Hamann viel Arbeit investiert. Dennoch kann man sich als Leser des Eindrucks einer ungefilterten Informationsweitergabe nicht erwehren. Das Buch gliedert sich in 16 Kapiteln, die weitestgehend dem chronologischen Verlauf folgen. Für eine Biographie ist diese Vorgehensweise sicher sinnvoll. In diesem Fall hätte es jedoch zur Klarheit beigetragen, wenn die Chronologie an der einen oder anderen Stelle zugunsten einer systematischen Darstellung aufgegeben worden wäre. Dies hätte inhaltliche Sprünge, aber auch Doppelungen vermieden. Manchmal wäre weniger mehr gewesen. Schade!

Brigitte Hamann, Hitlers Edeljude. Das Leben des Armenarztes Eduard Bloch, Piper Verlag, München 2008, 512 Seiten, € 24,90, ISBN: 9783492051644.

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