Der bald siebzigjährige Regisseur Peter Stein entzückte seine Zuhörer mit seinem leidenschaftlichen Vortrag. Anton Tschechows "Eine langweile Geschichte" konnte kurzweiliger nicht sein. Man
sah ihn vor sich, den alternden Professor, der mit 62 Jahren an seinen baldigen Tod glaubt und nun noch einmal die Begegnungen und Ereignisse an sich vorüber ziehen lässt, die sein Leben prägten.
Er berichtet von den Schrulligkeiten aus seiner Ehe. Er rechnet mit dem qualvollen Leben als hoch geachteter und doch armer Professor ab. Er beklagt, wie sich das Familienleben und der Gesellschaft
verändert haben.
Jeden Morgen sähe er sich mit einer langweiligen Matrone konfrontiert, die nur noch schwach an seine einst so schöne und schlanke Ehefrau erinnert, mit einer leicht dümmlichen Tochter, die
auf eine "gute Partie" hofft, und einem unsympathischen Schwiegersohn in spe. Später an der Universität habe er sich dann mit einer Gruppe von Fachidioten auseinanderzusetzen, die seine Position zu
übernehmen drohen.
Peter Stein ließ sich ganz auf die breit gefächerte Stimmungslage des Professors ein. Er wechselte zwischen Resignation, Ironie, Verachtung, Wut und Lachen, kokettierte mit dessen zynischen
und genervten Beobachtungen.
Der zweite Teil der "langweiligen Geschichte" wird heute Abend ab 19 Uhr im Haus der Berliner Festspiele in der Schaperstrasse gelesen. Die Tickets sind wie üblich an der Abendkasse
erhältlich. Selbst denen, die die Geschichte schon kennen, ist diese "Vorlesung" wärmstens zu empfehlen.
Peter Stein hat übrigens gerade eine zehnstündige Wallenstein- Aufführung inszeniert, die noch bis zum 7. Oktober mit Klaus Maria Brandauer in der Titelrolle auf dem alten Gelände der
Kindl-Brauerei in Berlin- Neukölln zu sehen ist wird. Auch diese dürfte ein herausragendes Erlebnis sein.
Maxi Hönigschmid
0
Kommentare
Noch keine Kommentare