Kultur

„Karl Valentin, Münchner Komiker, Sohn eines Ehepaares“

von ohne Autor · 11. Juni 2007

Als Valentin Ludwig Fey kommt Karl Valentin am 4. Juni 1982 in der Münchner Vorstadt Au zur Welt. Den erlernten Schreinerberuf gibt er 1902 auf um Komiker zu werden: "Ich entwendete bei dem letzten Meister einen Nagel, schlug ihn in die Wand und hing an demselben das goldene Handwerk der Schreiner für immer auf." Mit 26 Jahren ist Karl Valentin einer der populärsten Humoristen Münchens.

1911 trifft der frisch verheiratete Valentin Elisabeth Wellano. Unter dem Künstlernamen Liesl Karlstadt wird sie jahrzehntelang seine kongeniale Bühnenpartnerin und Geliebte sein. Klein und untersetzt ist sie schon optisch der Konterpart zu dem unendlich langen, spindeldürren Karl Valentin. Sie ist seine Stichwortgeberin, hat wesentlichen Anteil an seinen Texten und dem gemeinsamen Erfolg. "Auf der Bühne ergänzten sich die Fähigkeiten von Karlstadt und Valentin nahezu perfekt", schreibt Monika Dimpfl. Trotzdem überstrahlte sein Ruhm den ihren, war ihr kreativer Anteil an der gemeinsamen Arbeit lange Zeit unterschätzt.

"Fremd ist ein Fremder nur in der Fremde"

Der Erfolg des Komikerpaares geht bald weit über München hinaus. Sie gastieren in Zürich, Wien und Berlin. Die zeitgenössische Kritik feiert Karl Valentin. In der Weltbühne schreibt Kurt Tucholsky von der "seltsamsten Komik, die wir seit langem auf der Bühne gesehen haben: ein Höllentanz der Vernunft um beide Pole des Irrsinns. ... Er denkt links." Alfred Polgar erklärt: "Man muss furchtbar lachen über ihn, obzwar er gar nicht lustig ist. ... Valentins Humor, eine wunderliche Mischung aus Schwachsinn und Tiefsinn, hat manchmal was geradezu Metaphysisches."

"Fremd ist ein Fremder nur in der Fremde", so Karl Valentin. Was er selbst als "saudumm Daherreden", beschrieb war tatsächlich viel mehr: Seine "philosophische Sprachkomik", betont Dimpfl, das Spiel mit Doppeldeutigkeiten und Missverständnissen, wurde von den Intellektuellen der Weimarer Republik geschätzt und gelobt. Seine Improvisationskünste sind legendär.

Dimpfl präsentiert in der Biographie die zahlreichen Facetten der Künstlerpersönlichkeit Karl Valentin. Früh erkennt er das Potential von Film, Radio und Schallplatte. "Zu Recht", schreibt sie, sah er sich "als Filmpionier ... als Avantgardist eines neuen Mediums, dessen populäres Potential er früh erkannte und ausprobieren wollte." Seine frühen Stummfilme werden gefeiert, Karl Valentin wird mit Charlie Chaplin verglichen: "Da sind Momente, vorgeahnte Chaplinaden im Lachkabinett", lobte Lotte Eisner im "Filmkurier".

Auch im Theater setzt Karl Valentin neue Standards. Seine Theaterstücke sind Höhepunkte des Avantgardetheaters und nehmen sogar "Techniken des absurden Theaters vorweg ... surrealistische Effekte, dadaistischer Sprachwitz", zitiert Dimpfl den Valentin-Biographen Michael Schulte. 1928 präsentiert Valentin eine multimediale Theaterinszenierung - mit Film und Ton. Bert Brecht, der mit ihm zusammenarbeitete, gab an, am meisten "von dem Clown Valentin" gelernt zu haben. Selbst für sein Verfremdungstheater konnte Brecht bei dem Komiker lernen.

Immer wieder finanziert Valentin Projekte aus eigener Tasche. Er dreht Filme, gründet eine eigene Theaterbühne und richtet ein Panoptikum ein. Er sammelt alte Stadtaufnahmen von München und produziert Jux-Anzeigen auf Dias, teilweise handkoloriert, für Lichtbild-Vorträge. Häufig scheitern seine Projekte - was ihn aber nie davon abhält ein neues Unternehmen zu starten.

"Lache Bajazzo!" - der traurige Clown

"Vielleicht würden die Leute weniger über mich lachen, wenn sie wüssten, wie mies ich meist beieinander bin, teils durch mein Asthma, das mich quält, teils durch meine Zwangsvorstellungen; es ist eben die ewige G'schicht vom 'Lache Bajazzo!', die sich in meinem Leben abspielt", erklärt Valentin 1930. Häufig stellt sich Valentin in Interviews als stiller, fast bedrückter Melancholiker dar. "Hypochondrie und Ängstlichkeit", so Dimpfl, gehören zu seinen Eigenschaften.

Zahlreiche Ärzte sucht er auf und ist früh in Kontakt mit fortschrittlichen Vertretern der Individualpsychologie. Der Publizist Kurt Pinthus bezeichnete ihn als "Tragiker ... der sich nicht anders als komisch ausdrücken kann". Für Tucholsky ist Valentin "ein seltener, trauriger, unirdischer, maßlos lustiger Komiker". Seine Partnerin Karlstadt widmet ihm 1932 ein Foto: "Meinem komischen Partner & Patienten Karl Valentin in nie versagender Geduld gewidmet von Liesl Karlstadt/ Beruf: Nervenärztin/ Nebenbeschäftigung: Komikerin".

Das Dritte Reich markiert den Niedergang von Valentins Karriere. In den dreißiger Jahren ist der Lieblingskomiker der Intellektuellen der Weimarer Republik - die mehrheitlich zur Emigration gezwungen waren - nicht gefragt. Valentin ist nie Parteimitglied und seine Kunst ist in der Nazizeit nicht erfolgreich. Trotzdem veröffentlichte er in den Nazi-Blättern "Völkischer Beobachter" und "Die Brennessel", was Dimpfl aber nicht weiter kommentiert. Gleichzeitig ist Valentin ein Opfer der Nazi-Zensur und verlebt die Herrschaft der Nationalsozialisten eher zurückgezogen außerhalb von München.

Auch nach dem Krieg gelingt es dem Komiker nicht mehr, an frühere Erfolge anzuknüpfen. Am 9. Februar 1948, einem Rosenmontag, stirbt Karl Valentin, "Münchner Komiker, Sohn eines Ehepaares", wie er sich in "Karl Valentins Selbstbiographie" beschreibt.

Monika Dimpfls Buch ist eine lesenswerte Darstellung des Ausnahmekomikers Karl Valentin. Akribisch recherchiert zeichnet es ein äußerst facettenreiches Bild des Künstlers. Eine Unmenge an Zitaten von Valentin sowie seinen Freunden und Zeitgenossen bereichert das Buch ungemein und gleicht den bisweilen belehrenden Ton der Autorin aus.

Birgit Güll



Monika Dimpfl: "Karl Valentin", Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 2007, 14,50 Euro, ISBN-978-3-423-24611-8

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