Kapitalismus-Ausstellung in Bonn: „Lass dich nicht ausbeuten!“
„Wir sehen uns bei der Revolution“
Es ist eine Art der Kommunikation und Kapitalismuserfahrung, die insbesondere für eine jüngere Zielgruppe wie Schulklassen ansprechend hätte sein können. Wenn die Ausstellung nicht gerade mal zwei Tage nach ihrer Eröffnung coronabedingt schon wieder hätte schließen müssen. „Für mich ist die ambivalente Erfahrung des derzeitigen Stillstandes ein Grund für die beinahe gespenstische Treffsicherheit unserer Ausstellung“, sagt Kuratorin Henriette Pleiger im Gespräch mit dem „vorwärts“.
Inzwischen versucht die Bundeskunsthalle, die Eindrücke zumindest teilweise digital zu vermitteln. Auf ihrer Homepage hat sie einen Film darüber und einen Rundgang mit den beiden Kurator*innen durch die Ausstellung veröffentlicht. Dennoch fehlt das Wesentliche dieser Schau, das eigene räumliche Erleben des Kapitalismus und die daran anschließende Selbstreflexion. Das wird ab dem 12. Mai wieder möglich sein. Dann öffnet die Ausstellung ein zweites Mal. Sie wurde zudem bis zum 30. August verlängert.
Die Perversion des Kapitalismus
In wenigen Schritten geht es von den Anfängen des Kapitalismus im Mittelalter hinein in die Phase der Industrialisierung bis hin zum beginnenden Massenkonsum des 20. Jahrhunderts. In der Mitte des Raumes auf schlichten, durchnumerierten, metallischen Regalen sind die Konsumobjekte aufgereiht, sodass man nur noch zugreifen müsste.
Was gleichzeitig teilweise einer Perversion gleichkommt. Beispielsweise wenn ein Film über Land-Grabbing in Kambodscha die schauderhaften Auswüchse des westlichen Konsumverhaltens zeigt. Darin filmt ein buddhistischer Mönch, wo Dorfbewohner vertrieben wurden und jetzt ein internationaler Zuckerkonzern operiert. „Seit Generationen war das unser Land“, erzählt eine 85-Jährige, den Tränen nahe.
„Lass dich nicht ausbeuten!“
„Die Ausstellung zeigt, dass der Kapitalismus nicht nur ein Wirtschaftssystem, sondern eine Gesellschaftsordnung ist“, erläutert Kurator Wolfger Stumpfe im Gespräch mit dem „vorwärts“. Am Ende der Ausstellung raucht dem Besucher jedenfalls der Kopf, auch ohne die 114 Bände von Marx und Engels gelesen zu haben. Doch eines fehlt noch: die persönliche Auswertung. Denn je nach Konsumverhalten folgt ein persönlich zugeschnittenes Virtual-Reality Erlebnis. Versehen mit der Botschaft: „Mach‘s gut und lass dich nicht ausbeuten!“
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ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo