Kultur

Kant und Keese

von Die Redaktion · 29. Juni 2006

"Der neue deutsche Kapitalismus", "Minimum", "Wir Deutschen" - Neuerscheinungen zum politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zustand der Bundesrepublik haben - samt Genesungsvorschlägen - derzeit erneut Konjunktur. Mit "Verantwortung jetzt" schaltet sich auch Christoph Keese, seines Zeichens Chefredakteur der "Welt am Sonntag", in die Debatte ein. Er fragt, warum viele Menschen der Verantwortung für ihr eigenes Leben, für Familie, Beruf, die Gesellschaft und für die globalisierte Welt ausweichen. Und er versucht herauszufinden, wie dieser Zustand überwunden werden kann. Verantwortung, so seine zentrale These, gibt dem Menschen die Kontrolle über das eigene Leben zurück und führt zum Glück - nicht nur für den Einzelnen, nein für die ganze Gesellschaft.

Im ersten Teil seines Buches definiert er Verantwortungsübernahme als selbstlosen Akt moralischen Handelns für andere aus freien Stücken. Hiervon profitiere infolge des gesteigerten Selbstwertgefühls und seelischen Wohlbefindens schließlich auch der Verantwortung tragende Bürger selbst.

Anschließend entfaltet Keese im zweiten, praktischen Teil seines Buches einen Katalog mit konkreten Handlungsvorschlägen. Er unterteilt streng in Verantwortungsbereiche sowohl für das eigene Schicksal als auch für Familie, Beruf, Staat und Gesellschaft sowie die globalisierte Welt: Der Einzelne müsse stärker für sich selbst, die Familie, das Unternehmen, die Gesellschaft und die Umwelt eintreten. Dies bereichere das Leben und wäre gleichzeitig Vorbild für andere. Wenn Keese dann schreibt "Handle so, dass du die an dich gestellten Fragen jederzeit befriedigend beantworten kannst", klingt er doch vertraut nach Kants kategorischem Imperativ oder christlicher Soziallehre.



Vor zwei Jahren landete Keese mit "Rettet den Kapitalismus" einen Bestseller. Auch sein nun vorgelegter Appell an den verantwortungsbewussten Bürger ist prinzipiell für jeden zustimmungsfähig. So nachvollziehbar sein Credo der verstärkten Verantwortung auch sein mag, so sehr schwankt das Buch zwischen Erzählungen über Nelson Mandela und Stanley Milgram, Erläuterungen zur Rentenversicherung und praktisch-banaler Lebenshilfe. Flott und gut lesbar, bietet Keese in großen Teilen letztlich nicht mehr als eine idealistische Anleitung zum Glücklichsein, die den Leser etwas ratlos zurücklässt. Denn die Posaune von der verstärkten Verantwortungsübernahme ist nicht frei von Tönen, die vor allem Angestellte und Arbeiter in die Pflicht nehmen.

Robin Rüsenberg

Christoph Keese: Verantwortung jetzt. Wie wir uns und anderen helfen und

nebenbei unser Land in Ordnung bringen, C. Bertelsmann Verlag, München

2006, 268 Seiten, 16 Euro, ISBN-10: 3-570-00892-4

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