Kultur

Kampfgeschrei

von Die Redaktion · 29. Juni 2006

Fangen wir bei dem Autor an. Ein Pseudonym für einen französischen Politiker - Catherine Médicis. Die anfängliche Frage, warum der Autor dieses Vorgehen wählt, beantwortet sich schnell beim Lesen einiger Kapitel: "Wir wollen sie bluten sehen. Zerrissen. Niedergestreckt durch die heftigen Tritte, Schläge und Beschimpfungen, die sie sich antun werden (…). Wir wollen, dass Sarkozy und de Villepin (…) ausgemergelt sind und auf der Matte liegen bleiben (…)."

Derartige Ausführungen machen einem bei den derzeit politisch Mächtigen in Frankreich bestimmt keine Freunde. Insofern hat das Pseudonym sicherlich etwas mit Selbstschutz zu tun: nicht nur vor Vorwürfen von Populismus gegen den Autor seitens des politischen Establishments - was im Buch als Grund angeben wird - sondern wohl auch vor dem nicht unberechtigten Zorn dieser Politiker gegen die durchaus hetzerische Opposition des Autors gegen die nur mäßig erfolgreiche französische Regie-rungspolitik. Seine Kritik daran bleibt jedoch zumeist auf das Anprangern von Fehllei-stungen beschränkt und begnügt sich bestenfalls mit halbbackenen Lösungsansätzen, die sich oft mehr wie Drohungen anhören, z.B. "Wir wissen schon, was wir machen werden, wenn wir ans Ruder gelangen (…)"

Sicher dient das Pseudonym außerdem der politischen Kampagne, die dieses Buch auslöst und die den Autor am Ende in den Elysée Palast befördern soll Neugier wer sich hinter diesem Pseudonym verbirgt, wird zweifellos geweckt. Die politischen In-halte, deren Fehlen der Autor in der französischen Politik so beklagt, bleiben aber auch bei ihm sehr spärlich und beschränken sich tatsächlich oft auf populistische Angstszenarien. Da wäre z.B. die mittlerweile schon ausgelutschte ökonomische Be-drohung europäischen Wohlstands durch Asien. Die Bedrohung der Sicherheit durch Taliban und Osama Bin Laden ist auch nicht gerade neu. Ebensowenig der Ansatz für eine Revolution in der französischen Politik, wie sie der Autor in einem Zitat von Le-nin verspricht.

Ein weiterer Grund für das Pseudonym ergibt sich aus der folgenden, wohl kritischsten Passage dieses Buches: "Lasst uns nicht so sein wie diese Stümper, die ihre Politik nach jüdischen, arabischen, homosexuellen und farbigen Wählergruppen ausrichten und die eigentlichen Grundlagen von Integration und Assimilation für einen Apfel und ein Ei (…) verscherbeln. (…) lasst uns alles über Bord werfen, was die französische Wettbewerbsfähigkeit schwächt, und lasst uns lieber ernsthaft die Arbeitgeber sank-tionieren, die mit der einen Hand entlassen und mit der anderen große Kasse machen." Es ist wohl besser hierfür nicht den wahren Autor zu kennen. Von Phobien gegen alles Andersartige einmal abgesehen, ist der erste Teil beispielhaft für mehrere Passagen, in denen gesunder Patriotismus überhöht und zu nationalistischer Aus- und Abgrenzung wird. Der zweite Teil belegt die zweifellos sozialistischenTendenzen des Autors. Der "ehrliche" und hart arbeitenden Franzose soll vor dem ausbeuterischen Kapitalisten in Schutz genommen werden. Entschuldigung, das ist etwas zu schwarz-weiß gemalt, aber die Kombination aus den beiden sich in diesem Zitat widerspiegelnden ideologischen Prägungen, nationalistisch und sozialistisch, ist durchaus gefährlich und nicht ohne historisches Vorbild, wie vor allem die deutsche Leserschaft wissen wird.



Dieses Buch ist ein politischer Kampfschrei ohne fest geformtes Manifest. Das soll noch kommen. Man wird sehen, aber dieses Buch gibt keinen besonders positiven Vorgeschmack auf das, was da noch kommen soll. Es bleibt zu hoffen, dass solide In-halte folgen. Dass sich die teilweise durchaus extremen politischen Proklamationen des Autors während des französischen Präsidentschaftswahlkampfes in ein konstruktives politisches Programm zur Verbesserung der tatsächlich schwierigen - aber nicht mehr - wirtschaftlichen Lage des Landes verwandeln. Frankreich hat derartige Probleme in seiner Geschichte oft gemeistert. Und hier hat der Autor tatsächlich Recht: Dieses große Land hat dazu alle Mittel und Möglichkeiten.

Thomas Hoerber

Catherine Médicis, Der nächste Präsident bin ich! - Eine Abrechnung mit der französischen Politik, aus dem Französischen übersetzt von Alexander

Drechsel, Militzke Verlag, Leipzig, 2006, ISBN 10: 3-86189-746-6, 271 Seiten

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