Kultur

Judith Malina - ein Leben voll von der Hoffnung auf Frieden

von Die Redaktion · 13. Juni 2006
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Der kinoartige Saal füllt sich. Kaum ein Platz ist noch frei. Dirk Szuszies begrüßt das Publikum und erklärt kurz die Idee zum Film. Er war einst selbst ein Mitglied der 1951 von Judith Malina und Julian Beck in New York gegründeten Theatergruppe. Nach dem tragischen Tod von Julian - Judiths damaligem Freund - verließ er "The Living" 1985 jedoch - auch der katastrophalen finanziellen Lage der Gruppe wegen. Die Geschichte des Theaters wollte er aber nicht in Vergessenheit geraten lassen. Deshalb entschloss er sich 1999 ihm einen Film zu widmen. Obwohl die Gründerin Judith Malina 1926 in Kiel geboren wurde, gab es von deutscher Seite keinerlei finanzielle Unterstützung für das Filmprojekt. So entstand der 2003 fertig gestellte Film "Resist" schließlich in Belgien. Die Premiere fand 2004 dann aber in Kiel statt. Allerdings weigerte sich Kiels CDU-Oberbürgermeisterin damals die aus New York anreisende Weltbürgerin Judith Malina zu empfangen.

Der Film beginnt. Es ist still im Saal. Die ersten Bilder zeigen subkulturelle Jugendgruppen aus der Hippie-Zeit. Jugendliche liegen wie im Trance aufeinander, ihre Bewegungen sind fließend - sie wollen Zeichen setzen für Frieden unter uns Menschen. Frieden, Freiheit und Harmonie auf der Welt - dafür steht auch Malinas Theatergruppe. In Amerika ist sie allerdings wenig erwünscht mit ihrer offenen Kritik am System und an Institutionen wie der Marine. "Mit einer hypernaturalistischen Darstellung eines brutalen Tagesablaufs in einem Straflager der US-Marinekorps" schockiert sie 1963 z.B. im Theaterstück "The Brigs" viele Zuschauer. Die Theaterleute werden schließlich sogar von den staatlichen Behörden der USA verfolgt. Sie ziehen von Land zu Land, immer mit Hoffnung auf Akzeptanz für ihre radikal pazifistische Einstellung. Vergeblich! Als Judith Malina 1970 in Brasilien zum Aufstand gegen die Militärdiktatur aufruft, wird sie verhaftet und für knapp drei Monate ins Gefängnis gesperrt. Die kostenlosen, eindrucksvollen Vorführungen der Theatergruppe in Frankreichs Stadtzentren führen in den 80er Jahren sogar zu polizeilichen Eingriffe unter Anwendung von Gewalt.

Diese Auftritte und das ständig weiterziehen müssen beschreibt Judith Malina als hart. Die Unterkünfte sind spärlich. Die Gruppe ist schlecht organisiert, das Geld stets knapp.

Später ist die Gruppe verstärkt im Libanon aktiv. Sie versucht vor allem die dortige Bevölkerung als Mitspieler zu gewinnen. Dies ist wegen der gefestigten Meinungen und dem Hass gegenüber Israels, sowie der vorherrschenden Gewaltbereitschaft oft schwierig. Die Energie der jungen Leute brauche ein Ventil, sagt Judith Malina. Damit meint sie das der theatrischen exzessiven Darstellung und nicht das der Gewalt. Vorgesehen ist sogar ein Auftritt im damaligen Gefängnis Khiam der südlibanesischen Armee. Krisenherde auf der Welt seien eben wie ein Magnet für "The Living". Die Gruppe bedauert es, in Israel bis heute nicht gewollt zu sein.

Szenen wie dem Sterben an der Pest in "Mysteries" rütteln die Zuschauer auf. Die Art, in der "The Living" solche kontroversen Themen darstellt, ist einmalig und unbeschreiblich. Gezielt setzen die Schauspieler ihre Stimmen ein, nicht die Sprache sondern vor allem auch Laute. Gepaart mit überschwänglichen Bewegungen wirken viele Szenen geradezu furchterregend.

Auch heute noch mischt sich Judith Malina gemeinsam mit Ehemann Hanon Reznikov in die Politik ein. Seit dem Anschlag auf die Twintowers des World Trade Centers im Jahr 2001, engagiert sie sich verstärkt in New York. Sie will sich nicht damit abfinden, in ihrer geliebten Stadt für ihr "Living Theatre" keine Existenz aufbauen zu können. Traurig beschreibt sie "The Living" als "Fremdkörper im eigenen Land". Und doch will sie weiter gegen die Politik von George W. Bush ankämpfen und mit ihren Aufführungen auf offener Straße Aufmerksamkeit erregen.

Das Projekt "The Living" sei ein Geschäft mit der Hoffnung, die Welt aber leider eine gewalttätige. Trotzdem hat Judith Malina bis heute den Kampf nicht aufgegeben. Am Ende des Filmes sagt sie: "Ich weiß, ich bin im Wettlauf mit dem Tod und ich weiß, wer gewinnen wird, aber im Moment gewinne ich".

Sowohl für die, die Judith Malina kennen, als auch für jene, die noch nie von ihr gehört haben, ist dieser Film empfehlenswert. Er zeichnet eindrucksvoll das Leben ihrer Theatergruppe von den 50ern bis heute nach. Einer Truppe, die an den Frieden glaubt und demonstriert, wie man sich gewaltfrei widersetzt, auf Missstände aufmerksam macht und Konflikte lösen kann.

Dagmar Lappe

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