Wie dies geschah, und mit welcher Intensität, das hat Karsten Rudolph in seinem Buch "Wirtschaftsdiplomatie im Kalten Krieg" festgehalten. Rudolph beleuchtet in seiner Arbeit nicht die
Ostpolitik der Nachkriegsjahrzehnte, sondern jene der westdeutschen Großindustrie. Denn es geht ihm nicht um die einzelnen Branchen, sondern um das große Ganze - er untersucht, inwiefern die
Wirtschaft unter der Adenauerschen Westpolitik alle diplomatischen Register ziehen musste, um z.B. den vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion florierenden Handel mit dem Großreich
wiederbeleben zu können.
Dabei haben sich die Diplomaten aus dem Außenministerium und die "Wirtschaftsdiplomaten" der Bundesrepublik eine regelrechte Schlacht mit den "Waffen der Wirtschaft" geliefert", wie Rudolph
schreibt - die Politikerkaste sah in der Sowjetunion bisweilen noch den "Todfeind", mit dem man auch auf ökonomischer Basis besser nicht aneinander geriet.
Das Buch gliedert sich in zwölf Kapitel. Karsten Rudolph geht chronologisch vor und beginnt mit der Wiederaufnahme der Ost-West-Beziehungen. Dann beschreibt er, wie es in den frühen 60er
Jahren zu einer Loslösung der Wirtschaftsdiplomatie von der offiziellen Ostpolitik kam, was für den Autor letzten Endes auch den Durchbruch zur Neuen Ostpolitik darstellt: "Die SPD, die FDP und die
am Osthandel interessierte westdeutsche Exportindustrie näherten sich Schritt für Schritt. Diese Konstellation trug (...) zum Regierungswechsel von 1969 bei."
Die letzten Kapitel beschäftigen sich damit, wie durch den "Wandel durch Handel" auch die Brandtsche Ostpolitik auf sichere Beine gestellt werden konnte und wie die deutsch-russischen
Wirtschaftsbeziehungen nach einer Flaute erst durch Michail Gorbatschow wieder an Bedeutung gewannen.
Was interessant, vielleicht sogar notwendig gewesen wäre - von Karsten Rudolph jedoch leider kaum untersucht wurde, ist: wie sich die Bemühungen um eine wirtschaftliche Zusammenarbeit auf der
"anderen", der sowjetischen Seite gestalteten. Auch dort mussten die ökonomischen Beziehungen mit dem westlichen "Klassenfeind" schließlich für allerhand Diskussionsstoff und Wirbel auf der
politischen Ebene gesorgt haben. So bleibt das Hauptaugenmerk, wie der Titel bereits verheißt, auf die westdeutsche Großindustrie gerichtet. Aber auch diese Betrachtungsweise macht Rudolphs Buch zu
einem spannenden - auf einem bisher wenig beleuchteten Terrain.
Holger Küppers
Autor: Karsten Rudolph
Titel: "Wirtschaftsdiplomatie im Kalten Krieg"
Verlag: Campus
Erscheinungsjahr: 2005
455 Seiten, Preis: 39 Euro
ISBN 3-593-37494-3
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