Der Begriff „Zionismus“ bezeichnet die Sehnsucht der Juden nach einer Rückkehr nach Jerusalem. Die Historikerin Tamar Amar-Dahl erkundet in ihrem Buch „Das zionistische Israel“ die Zwickmühle, in der das Land steckt.
Einwanderung, Besiedlung, Sicherheit – das sind die drei Säulen, auf denen der Staat Israel gebaut ist. Es sind die Grundpfeiler des „zionistischen“ jüdischen Staates. „Zion“ ist das hebräische Wort für den Tempelberg in Jerusalem. Hier stand der erste Tempel der Juden, erbaut um 800 v. Chr. Während der Babylonischen Gefangenschaft (586-539 v. Chr) wurde „Zion“ zum Synonym für die Sehnsucht nach der Heimkehr nach Jerusalem. Heute steht dafür der Begriff „Zionismus“.
„Heimkehr“ vs. „Landraub“
Nach dem Zionisten-Kongress in Basel 1897 begann die Einwanderung von Juden ins damalige „Süd-Syrien“, eine Provinz des türkisch-osmanischen Reiches. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zerfall des Osmanischen Reiches wurde das Völkerbundsmandat für „Palästina“ an Großbritannien übertragen. Ab 1922 sollte die Einwanderung der Juden in das Land sollte ermöglicht werden.
So verband sich auf Seiten der Bewohner Palästinas, also der Araber/Palästinenser, mit dem Wort „Zionismus“ die Wegnahme von Land. Es wurde von „Kolonialismus“ gesprochen. 1919 wandte sich der „Arab Congress“ in Jerusalem gegen jeden „zionistischen Landraub“ durch die eingewanderten Juden. Bis heute wird auf arabischer Seite „Zionismus“ als Schimpfwort gegen Israel verwendet.
Das verheißene Land besiedeln
Steckt Israel in der „Zionismus-Zwickmühle“? Dieser Frage geht die Historikerin Tamar Amar-Dahl, einer in Marokko geborenen Israelin, nach. Die an der Freien Universität Berlin lehrende Wissenschaftlerin hat eine ungeheure Menge an Material zusammengetragen. Zugegeben, das macht das Buch zeitweise schwer lesbar. Aber die Mühe lohnt sich, will man verstehen, warum Israels Politik – die Sicherheitspolitik, Siedlungspolitik, Nachbarschaftspolitik und Innenpolitik – ist, wie sie ist.
Die Autorin kommt zu dem Schluss, dass Israel in einer Zwickmühle steckt, aus der es nicht heraus kann. Der „Zionismus“ ist die Gründungs- und Staatsideologie Israels. „’Eretz Israel’ ist das Land der Urväter, daher auch das Land des jüdischen Volkes. Das ist die Grundlage des in Israel umgesetzten Zionismus“, schreibt Amar-Dahl. Weil Israel das Land als „biblisch verheißen“ ansieht, will es das Land nicht nur behalten, sondern auch besiedeln. Damit stößt es ständig an die Rechte der „Anderen“, der Palästinenser und Araber.
Verteidigung der israelischen Existenz
Amar-Dahl schreibt: „Das umstrittene Staatsgebiet Israels und der Status der Palästinenser in der zionistischen Utopie bleiben die Achillesferse des zionistischen Israel.“ Um den Konflikt mit den Palästinensern zu lösen, müsse Israel sich von dem sogenannten maximalistischen Zionismus trennen. Es müsse die Palästina-Frage wieder auf den Verhandlungstisch bringen. Doch genau das könne Israel nicht. Es sieht seine Existenz an den Zionismus gekoppelt.
Militärischer Überlegenheit hat oberste Priorität – bis hin zum Anspruch, keine andere Macht in der Region dürfe über Atomwaffen verfügen. Denn Israel verteidigt seine Existenz. Das Buch gibt neue Denkanstöße. Es rührt an manchen Glaubenssätzen, zeigt aber vor allem, dass Israel Bewegung in den Friedensprozess bringen könnte. Zionismus und Frieden geht schwer miteinander. Amar-Dahl hat kein Anti-Israel Buch geschrieben. Trotzdem enthält es viele Argumente gegen Israels derzeitige und vergangene Politik. Man sollte sie aufmerksam lesen und durchdenken.
Tamar Amar-Dahl: „Das zionistische Israel. Jüdischer Nationalismus und die Geschichte des Nahostkonflikts“, Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2012, 256 Seiten, EUR 24,90, ISBN 978-3-506-77591-7