Isle Biberti und Henning Scherf: Das Alter kommt auf meine Weise
Sowohl Henning Scherf als auch Ilse Biberti haben schon erfolgreiche Bücher zum Thema Alter geschrieben. Scherf, ehemaliger Bremer Bürgermeister, steht für eine alternativen Umgang mit dem
Alter. Sein Buch "Grau ist bunt" handelt davon, wie er nach seiner Pensionierung mit seiner Frau in eine Alten-WG gezogen ist. Biberti, bekannt als Regisseurin und Moderatorin der Sesamstraße,
hat mit dem Buch "Hilfe, meine Eltern sind alt" beschrieben, wie sie mit Ende 40 wieder bei ihren Eltern eingezogen ist. "Das Alter kommt auf meine Weise" ist die Fortsetzung ihres ersten Buches.
Bewusste Entscheidung
Ilse Biberti hat sich bewusst dazu entschieden, ihre Eltern zu pflegen. Ihr Vater leidet an Demenz, ihre Mutter versucht nach einem Schlaganfall langsam wieder ihre Sprache zu finden, auch bei ihr diagnostizieren die Ärzte eine leichte Demenz. Das Leben von Ilse Biberti ist mit der Pflege ihrer Eltern komplett ausgelastet, es ist ein Vollzeit-Job, der keine andere Beschäftigung zulässt, ebenso wenig den Erhalt sozialer Kontakte. Hinzu kommt ein großes finanzielles Problem. Sie kann ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen, kann aber von dem Geld, das sie vom Staat für die Pflege ihrer Eltern bekommt kaum leben.
Den Anstoß zu einem gemeinsamen Buch mit Henning Scherf liefert Bibertis Mutter ("Mach zusammen!). Fortan wird der Leser direkt einbezogen in die Bemühungen, mit dem vielbeschäftigten Scherf ein gemeinsames Projekt auf die Beine zu stellen. Die Gespräche der beiden entwickeln sich dabei zu einem intensiven Gedankenaustausch über das Älterwerden im Allgemeinen und das deutsche Pflegesystem im Speziellen.
Die Frage, die im Mittelpunkt steht und die auch dem Leser anschließend nicht mehr aus dem Kopf geht: Wie schaffen wir es in unserer Gesellschaft, ein menschenwürdiges Altern zu ermöglichen
und den alten Menschen solange wie möglich eine Teilhabe an der Gesellschaft zu sichern?
Diskussionsanstoß
Auch wenn Biberti und Scherf allein diese Frage nicht beantworten können, so kann ihr Buch doch als Beitrag zu einer Diskussion gesehen werden, die früher oder später geführt werden muss. Die Schilderungen aus dem Leben der Familie Biberti bringen dabei den nötigen Anteil an Menschlichkeit in eine Debatte, die sonst von Statistiken bestimmt wird.
Der Leser erfährt detailiert, was für einen Aufwand es für eine einzelne Person bedeutet, sich rund um die Uhr um zwei pflegebedürftige Menschen zu kümmern. Er erfährt aber auch, wie wichtig
es für eine Tochter sein kann, die Eltern auf ihrem letzte Weg zu begleiten und sich die nötige Zeit zum Abschied zu nehmen. Gleichzeitig zeigen die großen Steine, die Ilse Biberti bei der
ambulanten Pflege ihrer Eltern in den Weg gelegt werden, dass eine Systemreform bitter nötig ist.
Das Buch ist damit zweierlei: Eine deutliche und auf persönlicher Erfahrung beruhende Kritik an unserem Pflegesystem. Aber auch und vor allem: Ein Eintreten für einen alternativen Umgang
mit dem Thema Alter.
Ilse Biberti/Henning Scherf: "Das Alter kommt auf meine Weise. Lebenskonzepte heute für morgen", Südwest Verlag, München 2009, 288 Seiten, € 16,95, ISBN: 978-3-517-08527-2