Sein Doku-Drama über den Frühling der Opposition versteht der Kölner Filmemacher - als Kind floh der 39-Jährige aus dem Gottesstaat - vor allem als politisches Manifest. Nach Jahrzehnten von
Unterdrückung und Misswirtschaft hatten Millionen von Menschen ihre ganze Hoffnung in die Präsidentschaftswahl vom 12. Juni 2009 gelegt. Ex-Premier Hossein Mussawi stieg unverhofft zum Kandidaten
der Reformbewegung auf. Den Sieg trug der ultrakonservative Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad davon. Doch trotz aller Repressalien, die sich dem Urnengang anschlossen, schien der offene
Wahlbetrug die kritischen Massen erst recht zu beflügeln. Mit der Parole "Where is my vote?" (Wo ist meine Stimme?) zogen Arbeiter, Studenten und Großmütter durch Irans Städte.
Diese Bewegung trug Grün
Die Farbe des Islam, eines Islam, der sich von der offiziellen Doktrin abgrenzt. Auf Fahnen, Stirnbändern und Transparenten bestimmte sie die wenigen Bilder, die während dieser Tage vor
allem über das Internet ins Ausland gelangten. Nicht weniger groß als die Hoffnung auf einen friedlichen Wandel war die Ohnmacht vieler Oppositioneller angesichts der Brutalität, mit der die
Sicherheitsorgane die Proteste gegen den gestohlenen Wahlsieg unterdrückten. Doch das Primat der Gewalt verschaffte dem Mullah-Regime allenfalls ein Gewinn auf Zeit, wie die jüngste Entwicklung
zeigt.
Dieses Wechselbad der Gefühle durchzieht auch Sahadis Film. Die Empathie, die Internetvideos, Twittermeldungen, Einträgen aus sozialen Netzwerken und Blogger-Posts beim Zuschauer
hervorrufen, bildet den eigentlichen Zugang zum Thema. Dem Sog dieser nahezu ungefilterten Puzzlestücke aus dem Inneren eines Umwälzungsprozesses kann man sich schwer entziehen. Sie stehen für
eine vitale und gut vernetzte Gegenöffentlichkeit, die jenseits von zensierten Zeitungen und staatlich kontrollierten TV-Kanälen entstanden ist. Freilich sind auch die Herrschenden
fleißig im virtuellen Raum unterwegs. Man denke nur an die Facebook-Seite von Revolutionsführer Ali Khamenei.
Eine weitere Erzählebene entsteht durch Interviews mit Regimegegnern beziehungsweise Exil-Iranern, die die Geschichte hinter den Fragmenten schildern. Jene Orte und Situationen, wo keine
Handy-Kameras hinkommen, empfinden animierte "Spielszenen" nach. Darin lassen eine Studentin und ein Student die Schrecken jener Tage Revue passieren, die sie im Gefängnis und am Rande von
Straßenschlachten erlebten. Aus ihnen sprechen Trauer und Zorn, die auch in den Gesprächspassagen mit den Bloggern Mehdi Mohseni und Mitra Khalatbari zum Ausdruck kommen. Nicht weniger aufwühlend
sind die Erinnerungen ehemaliger Milizionäre. Sie zeigen, dass die "Täter", die im Sommer 2009 die Drecksarbeit für das Regime erledigten, eine weniger monolithische Front bilden, als viele im
Westen denken.
Kampf um die Revolution im Farbenspiel der Animationen
Je länger Ahmadinedschad und Khamenei mit allen Waffen zurückschlagen, desto mehr dominieren düstere Grau-Töne das Geschehen. Doch völlig verdrängen lässt sich die Farbe des Aufruhrs nicht.
Ein grün schimmerndes Kopftuch gerät zum Zeichen der Selbstbehauptung hinter Gittern.
Auch wenn das Protestpotenzial gerade unter Irans Jugend kein Novum war: Das Ausmaß der Grünen Welle, die weite Teile der iranischen Gesellschaft erfasst hat, hätte wohl niemand erwartet.
Wie es dazu kommen konnte, für welche politischen Ziele die Opposition steht und inwiefern die Islamische Republik überhaupt reformierbar ist, bleibt weitgehend im Dunkeln. Bisweilen überwiegt
das Manifest gegenüber dem Dokumentarischen. Dennoch leistet "The Green Wave" einen wichtigen Beitrag dazu, jene Menschen, die auch zwei Jahre danach auf der Straße ihr Leben riskieren, nicht zu
vergessen.
The Green Wave (D 2010). Regie und Drehbuch: Ali Samadi Ahadi. Länge: 80 Minuten. Sprachen: Deutsch, Englisch, Farsi. Kinostart: 24. Februar Weitere Informationen: http://www.thegreenwave-film.com