Kultur

Internetpionier Jaron Lanier erhält Friedenspreis

Der Informatiker Jaron Lanier hat am heutigen Sonntag in der Frankfurter Paulskirche den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen bekommen. Lanier verteidige die Einzigartigkeit des Menschen im digitalen Zeitalter, sagte Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments, in seiner Laudatio.
von Birgit Güll · 12. Oktober 2014
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Mit der Vergabe des Preises an Jaron Lanier lade der Börsenverein des Deutschen Buchhandels ein, die Debatte über die digitale Zukunft zu führen, sagte Martin Schulz. Die Jury hatte in ihrer Begründung erklärt, dass Lanier die Risiken der Digitalisierung erkannt habe. Sein Buch „Wem gehört die Zukunft“ sei ein Appell, wachsam gegenüber Unfreiheit, Missbrauch und Überwachung zu sein.

Lanier wirbt für neuen Humanismus

Der Informatiker, Musiker und Autor Lanier warb in seiner Dankesrede eindringlich für einen neuen Humanismus. Der Sohn jüdischer Eltern, die die Shoah überlebten und Zuflucht in den USA fanden, betonte, dass Computer weniger wichtig als der Mensch seien und auch so behandelt werden müssten: „Menschen sind mehr als Maschinen und Algorithmen.“ Lanier möchte ein gerechtes Internet, in dem nicht nur einige wenige auf Kosten aller anderen reich werden. Der Informatiker lehrt an US-amerikanischen Universitäten, entwickelte selbst Software und arbeitet in der Forschungsabteilung von Microsoft. Er halte es aber für richtig, „loyale Opposition“ innerhalb von Institutionen zu sein und auf Risiken hinzuweisen.

In seiner Dankesrede sprach Lanier von einer Entrechtung der Menschen, die die Arbeit leisteten. Er halte es für grotesk, wenn wir den Datenschutz oder die Errungenschaften der Arbeiterbewegung über Bord werfen, um Platz für neue technologische Effizienz zu machen. Manchmal frage er sich, „ob wir unsere Demokratie an Technologiekonzerne outgesourct haben?“ Die Idee des Teilens sei sympathisch, doch sie biete keinen Schutz, erklärte der 54-jährige Lanier. So ignoriere die digitale Welt, dass Menschen alt und krank würden. Es sei eine kleine Elite, die Milliarden daran verdiene, die Cloud-Computer zu betreiben und die Daten zu sammeln – auf Kosten aller anderen.

Regeln für die digitale Welt

Auch Martin Schulz hatte davor in seiner Laudatio vor den Risiken der Digitalisierung gewarnt: „Immer, wenn wir das Leben für viele Menschen besser machen können, bin ich für jede Innovation. Aber der Glaube, dass wir nur die Summe unserer Daten sind, reduziert und entwürdigt Menschen und verkennt überdies, wer der Schöpfer von Kultur ist.“ Es seien Menschen, die alles schaffen und die dem Geschaffenen Sinn verleihen. So sei es „nicht hinnehmbar, dass nur einige Wenige mit diesen kulturellen Leistungen Milliardengewinne machen, während mancher Urheber eines Werkes leer ausgeht“, sagte Schulz.

„Alles, was wir im Netz vermeintlich kostenlos bekommen, bezahlen wir mindestens mit unseren Daten, die von globalen Internet-Giganten mit Riesen-Servern gierig aufgesaugt werden“, sagte der Präsident des Europäischen Parlaments. Es brauche Regeln für die digitale Welt. Diese müssten sich, so Schulz, an unseren Wertvorstellungen orientieren. Unser Bildungssystem müsse auf die Veränderungen reagieren, „damit unsere Kinder die Vorteile des digitalen Zeitalters genießen können und nicht schutzlos in die Welt entlassen werden“.

Der Friedenspreis wird vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels vergeben und ist mit 25.000 Euro dotiert. Lanier unterstrich in seiner Dankesrede, dass der Preis nicht nur an ihn, sondern an die Weltgemeinschaft der digitalen Aktivisten und Idealisten gehe. Auch wenn die sich nicht einig seien.

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Autor*in
Birgit Güll

ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.

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