Kultur

„Integration ist ein Prozess, den man begleiten muss“

von ohne Autor · 14. Oktober 2011
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Klaus Wowereit ist ein Publikumsmagnet - auch fernab seiner Heimatstadt Berlin, zu deren Regierendem Bürgermeister er nun zum dritten Mal in Folge gewählt wurde. Der vorwärts-Stand ist am Freitag Nachmittag umzingelt von interessierten Messebesuchern, die hören wollen, was der Berliner SPD-Politiker zum Thema Integration zu sagen hat. Schließlich hatte sich erst im vergangenen Jahr ein Sozialdemokrat der Thematik angenommen: Thilo Sarrazin. "Das Buch von Sarrazin hat mit Integration überhaupt nichts zu tun. Im Gegenteil, das Buch ist integrationsfeindlich", grenzt sich Klaus Wowereit gleich zu Beginn der Veranstaltung klar von seinem ehemaligen Finanzsenator ab.

Dass Thilo Sarrazin nicht aus der Partei ausgeschlossen werden konnte, sei ein riesiger Schaden für die SPD gewesen, ist Wowereit überzeugt. Es habe viele Austritte aus der Partei gegeben. Aber auch die Glaubwürdigkeit habe gelitten. "Der größte Widerstand gegen Sarrazins Parteiausschluss kam von außerhalb der SPD mit dem Argument: 'Der Mensch wird ja wohl seine Meinung sagen dürfen.' Das darf er auch, aber ohne den Zusatz SPD hinter seinem Namen", setzt Wowereit nach. Sarrazins Aussagen gingen klar gegen die Grundwerte der Partei.

Ein gesellschaftliches Thema

Für den Regierenden Bürgermeister ist das Thema Integration ein besonderes Anliegen. Die SPD habe zu lange Defizite auf diesem Gebiet gehabt, deshalb sei schließlich vor knapp zwei Jahren die "Zukunftswerkstatt Integration" eingerichtet worden. "Für mich ist Integration aber nicht nur eine Frage der Aufenthaltsgenehmigung, sondern ein gesellschaftliches Thema", sagt Wowereit. "Denn auch die dreifache Mutter ohne Job kann am gesellschaftlichen Leben nicht mehr teilnehmen. Dagegen muss etwas getan werden."

Diese Auslegung des Integrationsbegriffs erklärt auch, weshalb sich Wowereit selbst als Integrationserfolg sieht: Seine Mutter stammt aus Ostpreußen. Zum Integrationserfolg mache ihn aber vor allem sein sozialer Aufstieg, der ihm durch den Schulbesuch in Deutschland ermöglicht wurde.

Wowereit kritisiert auch die Medien, die immer nur über Integration schrieben, wenn wieder ein Mord passiert sei. Die millionenfachen Erfolge gelungener Integration dagegen würden selten thematisiert. "Dabei muss man sich nur umgucken, wie viele gut integrierte Menschen mit Migrationshintergrund in unserem Umfeld arbeiten."

Perspektiven schaffen

Und der Vorwurf, dass Multikulti gescheitert sei, will Moderator Hajo Schumacher wissen "Der ist völlig falsch!", wehrt Wowereit ab und argumentiert: "Wir haben in allen Wirtschaftsbereichen inzwischen Unternehmen, die mit dem Migrationshintergrund zu verbinden sind."

Die Frage nach der Dauerarbeitslosigkeit dagegen sei keine integrationspolitische. Nicht die Herkunft sei hier maßgeblich, sondern die Lebensumstände. "Wenn wir Jugendlichen mit 16 Jahren nicht vermitteln: Du wirst gebraucht, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn sie keine Perspektive sehen", erläutert der SPD-Politiker. In Berlin habe man sich deshalb entschlossen, die Hauptschulen abzuschaffen. "Die waren ja nur noch Restschulen."

Außerdem müsse man den Aufstiegswillen fördern. Die Menschen hätten doch ihr Heimatland verlassen, weil sie ihr Leben verbessern wollten. Dieser Aufstiegswillen sei bei einigen leider verloren gegangen. "Da müssen wir ran", sagt Wowereit. Berlin habe immer versucht, Hilfestellungen zu leisten mit Familienhelfern und Stadtteilmüttern. Überhaupt hält der Berliner Bürgermeister nichts von Schnellschüssen, Integrationserfolge bräuchten Zeit und Unterstützung, findet er: "Für mich ist Integration ein Prozess, und den muss man begleiten."

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