Kultur

Ins Schwarze getroffen

von Kai Doering · 20. Dezember 2012

Was darf die Karikatur? Geht es nach Heiko Sakurai und Klaus Stuttmann so ziemlich alles. Und so ist es nicht nur interessant, 2012 in ihren Jahresbänden noch einmal Revue passieren zu lassen, sondern vor allem höchst unterhaltsam.

Jahresrückblicke können echt nerven. Sie gehören zwar zum Dezember wie der Glühwein an einer windigen Weihnachtsmarkt-Bude, doch so richtig mag sie keiner. Da spielt es auch keine Rolle, ob der Moderator Jauch oder Lanz heißt oder ob die große Rückschau als Extra-Ausgabe eines Wochenmagazins oder als Sonderseiten einer Tageszeitung daherkommt.

Doch zum Glück gibt es Ausnahmen – auf der humoristischen Seite. Zwei besonders gelungene sind die „Cartoons des Jahres“ von Heiko Sakurai und Klaus Stuttmanns „politische Karikaturen 2012“, beide erschienen im Schaltzeit Verlag. Bei Stuttmann ist es im mittlerweile dritten Jahr schon eine kleine Tradition, bei Sakurai eine Premiere, eine Auswahl seiner Karikaturen als Jahresband herauszugeben.

Die Krise in allen Spielformen

Sortiert nach Monaten haben beide jeweils rund 200 Zeichnungen ausgewählt, die die Ereignisse des Jahres 2012 beschreiben – mal ironisch-distanziert, mal böse-sarkastisch. Klar, dass der Schwerpunkt auf der Euro-Krise liegt. Doch es ist beeindruckend, wie beide Zeichner nicht müde werden, sich immer wieder neue Darstellungen für Rettungsschirme, Pleitestaaten und Rating-Agenturen einfallen zu lassen. Der Pleitegeier in all seinen Spielformen – etwa als Sekretär von Kanzlerin Merkel (Sakurai) oder als Zugvogel-Schwarm über Griechenland (Stuttmann) – ist da schon die vorhersehbarste Art der Darstellung.

Doch natürlich kommen auch die anderen großen Ereignisse des fast abgelaufenen Jahres nicht zu kurz. Ob Fußball-Europameisterschaft (Angela Merkel als Stadionbesucherin mit Timoshenko-Zopf), Syrien-Krieg (Sondervermittler Kofi Anan mit abgebissenem Bein auf dem Rückzug, krokodilstränenreich beweint von Russland und China), Wulff-Rück- und Gauck-Antritt oder die Energiewende – alles beschreiben oder vielmehr bezeichnen Sakurai und Stuttmann aus ihrem ganz eigenen Blickwinkel.

kritischer, aber nie verletzender Blick

Sie tun das durchaus kritisch, manchmal sarkastisch, mitunter böse, doch nie verletzend. „Die Karikatur darf niemals von oben nach unten treten“, hat Heiko Sakurai einmal gesagt. An diese Regel hält er sich. Und auch Klaus Stuttmann nimmt sich – mit durchaus spitzer Feder – Politiker vor, seien es Angela Merkel, Barack Obama oder Nicolas Sarkozy, aber nie Schwache. Diese treten höchstens als Spiegel politischer Entscheidungen auf oder als Verallgemeinerung von Volkes Stimme. „Im Sturmgebraus der Zeit steht Stuttmann wie ein Turm, immer fällt ihm etwas ein“, schreibt der Schriftsteller Axel Hacke in seinem Vorwort zu Stuttmanns Buch – und er hat Recht.

Es ist schon beeindruckend, welche Ideen beide Zeichner zu aktuellen politischen Ereignissen entwickeln und ihre Meinung in einem oder wenigen Bildern auf den Punkt bringen. Manchmal gelingt es ihnen gar, zwei Themen in einer Zeichnung zu vereinen, etwa das Anlaufen des „Muppets“-Films und Angela Merkels Einsatz für eine europaweite Finanztransaktionssteuer gegen den Widerstand der FDP.

„Man muss zeichnen können und sich für Politik interessieren“, hat Heiko Sakurai die Voraussetzung als Karikaturist beschrieben. Eigentlich ganz einfach. Doch er hat auch gewarnt: „Eine Karikatur hat nur einen Schuss.“ Bei ihm und Klaus Stuttmann trifft der fast immer ins Schwarze.

Heiko Sakurai: Keine Sorge, Mutti am Steuer!: Die Cartoons des Jahres von Heiko Sakurai, Schaltzeit Verlag 2012, ISBN 978-3941362260, 16,90 Euro

Klaus Stuttmann: Wir geben nichts!: Politische Karikaturen 2012, Schaltzeit Verlag 2012, ISBN 978-3941362277, 19,90 Euro

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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