Kultur

Ingeborg Bachmann: Die Wüste in ihr

Vor 50 Jahren starb Ingeborg Bachmann. Regisseurin Margarethe von Trotta erzählt in „Reise in die Wüste“ von Bachmanns Beziehung zu Max Frisch – und wirft ein grelles Licht auf die Abgründe beider Schriftsteller.
von Kai Doering · 17. Oktober 2023
Am Fenster: Ingeborg Bachmann (Vicky Krieps) und Max Frisch (Ronald Zehrfeld)
Am Fenster: Ingeborg Bachmann (Vicky Krieps) und Max Frisch (Ronald Zehrfeld)

Alles hätte so schön sein können. Sie, die Lyrikerin aus Österreich und er, der Autor aus der Schweiz. Ingeborg Bachmann und Max Frisch galten Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre als das Traumpaar der Nachkriegsliteratur. Doch hinter das Fassade begann es schnell zu bröckeln. Die vierjährige Beziehung zwischen Zürich und Rom hinterließ vor allem bei Ingeborg Bachmann tiefe Narben. Als sie am 17. Oktober 1973 tablettenabhängig im Alter von nur 47 Jahren starb, hatte sie sich vom Scheitern dieser Liebe nicht erholt.

Eine Beziehung in Rückblenden

Die Grande Dame des deutschen Spielfilms Margarethe von Trotta hat Bachmanns Leben verfilmt. Der Film lief im Frühjahr im Wettbewerb der „Berlinale“ und kommt am 19. Oktober in die Kinos. Von Trotta hat eine interessante Perspektive gewählt, die sich auch im Filmtitel widerspiegelt: „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“. Die Regisseurin erzählt die Beziehung zwischen Bachmann und Frisch in Rückblenden, während die Dichterin – ein Jahr nach der Trennung – mit dem jungen österreichischen Schriftsteller Adolf Opel durch die ägyptische Wüste reist.

Bachmann, erzählt Opel, wie sie und Frisch sich zum ersten Mal 1958 in Paris trafen (Frisch hatte sie zur Premiere seines Stücks „Biedermann und die Brandstifter“ eingeladen, nachdem er ihr Hörspiel „Der gute Gott von Manhattan“ gehört hatte), wie der Dichter um sie warb (was in Wahrheit wohl eher andersherum war) und wie sich die Liaison mehr und mehr zu einer selbstzerstörerischen Beziehung (das Wort „toxische Beziehung“ gab es damals noch nicht) entwickelte.

Bachmann und Frisch beim Scheitern zuschauen

Beeindruckend an diesem opulent ausgestatteten Film ist vor allem das Zusammenspiel von Vicky Krieps und Ronald Zehrfeld. Auch wenn der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch erst im vergangenen Jahr erschienen ist und weder den Schauspielern, noch der Regisseurin beim Dreh bekannt war, verkörpern Krieps und Zehrfeld die beiden Schriftsteller nahezu perfekt. Bachmanns Getriebenheit überträgt sich ebenso gut wie Frischs Eifersucht und Arbeitswahn. „Wir haben es nicht gut gemacht“, lautet der Titel, unter dem der Briefwechsel erschienen ist. In „Reise in die Wüste“ kann man beiden live beim Scheitern zuschauen.

Den Film „Bachmann & Frisch“ zu nennen, wie es noch während des Drehs geplant war, habe sie am Ende für „ein wenig plakativ“ gehalten, berichtete Margarethe von Trotta in einem Interview. „Im Zentrum steht Ingeborg Bachmann und ihr Kampf um Unabhängigkeit.“ In die ägyptische Wüste fuhr die Schriftstellerin gebrochen. Am Ende hat sie das Gefühl, erlöst zu sein. Dass dieses Gefühl trügerisch war, wurde spätestens bei ihrem Tod deutlich. Bis heute ist nicht klar, ob es sich um einen Selbstmord handelte.

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Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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