Kultur

Inès meines Herzens

von Dagmar Günther · 24. August 2007

"Inés ist eine Kämpferin, eine Frau die nicht lockerlässt und bei aller Dramatik ihres Lebens fast immer bekommt, was sie will. Vor allem anderen Liebe, dann aber auch weltliche Güter und Macht. Für mich ist sie eine Frau, die ein wirklich bemerkenswertes Leben geführt hat, ein Leben wie ich es gerne gelebt hätte", schreibt die Autorin über ihre Romanheldin. Als Isabel Allende die wenigen Zeilen liest, die über Inès Suarez in den von Männern verfassten Chroniken zu finden sind, wird sie neugierig: Wer war diese Frau? Was hat sie gemacht? Wie hat sie gefühlt? Mit der Freiheit ihrer Vorstellungskraft lässt Isabel Allende Inès Suarez lebendig werden.

Schicksalsjahre

Die fast 70-jährige aus dem Norden der Extremadura stammende Spanierin Inès Suarez, erzählt ihrer Stieftochter Isabel de Quiroga ihre Geschichte: scharfsinnig, hintergründig, humorvoll. "Ich bin Inès Suarez, Bürgerin der königstreuen Stadt Santioga de La Nueva Extzremadura im Königreich Chile." Mit diesen Worten schlägt die faszinierende Frau das Buch ihres Lebens auf. Eine packende Reise beginnt.

In jungen Jahren heiratet die Näherin Inès Suarez einen Mann, der sich zu großen Taten berufen fühlt. Schon bald wird Juan de Málaga in die Neue Welt aufbrechen, auf der Suche nach Reichtum und Ruhm. Inès folgt ihm später, doch wird sie ihn nie wiedersehen.

Aber ein anderer Mann kreuzt in Peru ihren Weg: Pedro der Valdivia, charismatischer Feldherr im Dienste des spanischen Conquistadoren Francisco Pizarro... Er macht sie zur " Inès seines Herzens". Mit ihm durchlebt sie Höhen und Tiefen, Liebe und Schmerz. Gemeinsam wagen sie mit einer Truppe Soldaten den abenteuerlichen Marsch nach Chile, der einzigen Gegend in Südamerika, die noch nicht von Spaniern besiedelt wurde. Immer wieder liefern sie sich erbitterte Kämpfe mit den einheimischen Mapuche.

Inès Suarez betrachtet die Eroberung nüchtern und sehr realistisch: "Als wir nach Chile kamen, wussten wir nichts über die Mapuche, wir dachten, es würde einfach sein, sie zu unterwerfen, schließlich war uns das mit weit zivilisierteren Völkern gelungen, mit den Azteken etwa oder den Inkas. Es dauerte Jahre, bis wir begriffen, wie gründlich wir uns getäuscht hatten. In diesem Krieg ist kein Ende abzusehen... wir möchten Städte gründen und vorankommen, ein gesittetes behagliches Leben führen, sie aber sind einzig auf Freiheit aus.

Mehr als einmal geraten sie in Todesgefahr und doch gelingt es, die Stadt Santiago als neue Heimat zu gründen, immer wieder zu verteidigen und dort zu überleben.

Trennungsschmerz

Mit wachem Blick verfolgt Inès Suarez die Ereignisse. Anders als viele der Männer, denen es im Kampf vorrangig um Ruhm, Ehre und Macht geht. Sie versetzt sich in die Lage ihrer Feinde. "Sie waren vor uns da und besitzen die älteren Rechte, aber sie werden uns niemals vertreiben und wie es scheint, können wir auch nicht in Frieden miteinander leben." Immerhin hätten die Conquistadoren einfach ihre Claims abgesteckt, den Einheimischen quasi das Land weggenommen und dann auch noch verlangt, dass diese mit ihnen Handel treiben. Der Versuch sie zu missionieren bedeutete für die Mapuche nichts anderes, als sich als Sklaven zu unterwerfen.

Es sind solche Gedanken, die Inès schließlich von Pedro wegtreiben. Sein Weg ist nicht mehr der ihre. Sein unstillbarer kriegerischer Ehrgeiz, seine Jagd nach Titel und Würden widersprechen ihren Streben nach Bleibendem. Sie wird die Frau des angesehenen Edelmannes Rodrigo de Quiroga. Und obwohl ihre Liebe zu Pedro nie erlischt, widersteht sie dessen späterem Werben: "Für Dich empfinde ich diese Art Liebe nicht mehr, Pedro." "Am meisten hast Du immer meine Loyalität geschätzt. Die besitze ich noch, nur schulde ich sie jetzt Rodrigo."

Und doch bleiben Inès und Pedro einander ein Leben lang verbunden. Wenn Pedro am Ende im Angesicht seines Todes haucht: "Leb wohl Inés meines Herzens", hat der Leser diese Frau mindestens genauso ins Herz geschlossen wie Pedro de Valdivia. Und wünscht, sie möge ewig leben, damit die Geschichte weitergeht.

Dagmar Günther

Isabel Allende, (Übersetzung Svenja Becker): Inès meines Herzens, Suhrkamp Verlag, München 2007, 397 Seiten, 19,80 Euro, ISBN 978-3518419304



LESUNGEN

Berlin

16. September 2007, 12 Uhr

Haus der Berliner Festspiele, Schaperstraße 24

Tel. 030/25489100

Leipzig

17. September 2007, 20 Uhr

Universitätsbibliothek Albertina, Beethovenstraße 6

Tel. 0341/9603446

Wien

18. September, 20 Uhr

Musikverein Wien, Bösendorferstraße 12

Tel. 01/5058190

München

19. September, 20 Uhr

Aula der Ludwig-Maximilians-Universität, Geschwister-Scholl-Platz 1

089(29193427

Autor*in
Dagmar Günther

war bis Juni 2022 Chefin vom Dienst des vorwärts.

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