„Breaking the silence“ ist eine Organisation israelischer Soldaten, die die Besatzung palästinensischer Gebiete miterlebt haben. Hunderte von ihnen haben ihre Erfahrungen in einem Buch zusammengefasst, das nun in deutscher Sprache erschienen ist. Am Donnerstag wurde es vorgestellt.
In Israel hat das Militär einen hohen Stellenwert. Es wird als Garant für das Bestehen des Staates betrachtet. Daher zieht Kritik bezüglich seiner Vorgehensweise innenpolitisch – aber auch in der Zivilgesellschaft – große Ablehnung nach sich. „Breaking the silence“ als Bündnis israelischer Soldaten hat sich zur Aufgabe gemacht, eine Debatte über die Besatzung palästinensischer Gebiete anzustoßen.
Die Vorsitzende Dana Golan sprach bei der Vorstellung des gleichnamigen Buches - „Breaking the silence“ - im Haus der Bundespressekonferenz Berlin über ihre eigenen Erfahrungen, die Schwierigkeiten ihrer Arbeit und die Ziele der Organisation. Sie war selbst Soldatin im israelischen Militär. In Hebron und anderen besetzten Zonen lagen ihre Einsatzgebiete.
„Das Verständnis des Begriffs „Prävention“ hat sich in den letzten Jahren in der israelischen Armee verändert“, erklärte Golan. Man sei dazu übergegangen, schon auf den kleinsten Verdacht bezüglich eines Anschlags vonseiten der palästinensischen Bevölkerung zu reagieren. So würden beispielsweise wahllos Autos kontrolliert oder Menschen verhaftet.
Macht und Angst
Besonders schwierig sei die Lage in der Stadt Hebron im Westjordanland, wo auch eine kleine Anzahl jüdischer Siedler lebt. Während auf die palästinensischen Bürger das Militärgesetz angewandt werde, gelte für die jüdischen Einwohner das israelische Gesetz, berichtete Golan: „Es gibt Straßen, die nur von israelischen Siedlern genutzt werden dürfen, in Hebron trifft dies auch auf die Hauptstraße der Altstadt zu.“ Die Sprach- und Kulturbarrieren zwischen israelischen Soldaten und arabischer Bevölkerung führten zunehmend zu Ablehnung bis hin zu Hass auf beiden Seiten.
Als israelischer Soldat finde man sich oft in einer absurden Situation wieder, erklärte Golan: Man gehe in den Einsatz mit der Angst, gegen einen düsteren Gegner zu Felde zu ziehen. „Vor Ort stellt man dann fest: Man empfindet jeden als Feind. Den kleinen Jungen und die alte Frau“, schilderte sie. Der Zwiespalt zwischen dem Gefühl, die Grenzen des Heimatlandes verteidigen zu müssen und der Realität des Einsatzes sei sehr schmerzhaft.
Gleichzeitig habe sie sich dabei ertappt, wie sie von der Macht über die palästinensische Zivilbevölkerung Gebrauch gemacht habe. „Du winkst jemanden heran, er kommt. Du sagst ihm, er soll stehen bleiben, und er tut es. Das prägt.“ Für Golan ist das größte Trauma israelischer Soldaten demnach neben der Angst vor Anschlägen die unabwendbare Veränderung des eigenen Verhaltens.
Forderung nach offener Debatte
Häufig würden die Soldaten, die sich bei „Breaking the silence“ engagieren, in der Heimat als Verräter begriffen und, nachdem sie öffentlich Kritik geübt haben, selbst von Freunden gemieden, erklärte Golan. Auch von der Politik kämen harsche Reaktionen. So würden die Aktivisten zum Beispiel von Regierungsmitgliedern als Handlanger von Terroristen bezeichnet. Dabei sei das Anliegen der Organisation, Israel zu Frieden und Dialog zu führen. Golan betonte, diese Aufgabe erwachse schon alleine aus der Verantwortung für kommende Generationen.
Die zentrale Forderung von „Breaking the silence“ ist eine offene Debatte in Israel über die Besatzung der palästinensischen Gebiete und über die Menschenrechtsverletzungen, die dort stattfinden. Der Besatzungszustand schade auf lange Sicht der israelischen Demokratie. „Wir können nicht über Generationen hinweg die Gräben weiter aufreißen und ein Verhalten bei unseren Soldaten dulden oder fördern, das unseren Grundwerten widerspricht“, erklärte Golan.
Der Besatzungszustand an sich müsse hinterfragt werden. Dazu sei auch Offenheit über Grenzen hinaus notwendig. „Wenn in Deutschland und in anderen europäischen Staaten eine Debatte stattfindet, wird man auch in Israel darüber sprechen müssen“, so die Hoffnung Golans.
Info:
„Breaking the silence. Isrealische Soldaten berichten von ihrem Einsatz in den besetzten Gebieten“ ist im Econ Verlag erschienen und kostet 19,99 Euro. Zusätzlich kann noch bis zum 29.09.2012 im Willy-Brandt-Haus Berlin eine Fotoausstellung zu "Breaking the silence" besucht werden.
studiert Germanistik und Buchwissenschaften in Mainz. Im Sommer 2012 absolvierte sie ein Praktikum beim vorwärts.