Im Jahre 1973 hatte der Däne Mogens Glistrup eine revolutionäre wie erheiternde Idee. Er wollte das dänische Militär abschaffen und stattdessen im Verteidigungsministerium einen
Anrufbeantworter mit der auf Russisch gesprochenen Erklärung "Wir haben kapituliert" installieren. Das Militär könne einem Angriff der Roten Armee ohnehin nichts entgegensetzen und so sei das Geld
statt für die Landesverteidigung besser in Bildung und Kultur investiert, begründete Glistrup damals seine Idee. So sehr man heute wie damals auch über den Vorstoß des Dänen schmunzeln mag, so nah
läge seine Einstellung auch an der heutigen Realität. Dies behauptet zumindest der Publizist Henryk M. Broder in seinem neusten Buch "Hurra, wir kapitulieren - Von der Lust am Einknicken".
"Worum ich die islamischen Terroristen am meisten beneide, ist der Respekt, der ihnen gezollt wird", erklärt Broder gleich zu Beginn und umreißt damit das Thema, das er genüsslich auf 170
Seiten ausbreitet: Der Westen lässt sich von den islamischen Staaten an der Nase herumführen - wehrt euch dagegen! So lautet der Tenor dieser "Streitschrift". Der Islam und die ihn vertretenden
Staaten würden dem Westen ihre Sicht der Welt diktieren - meist auf aggressive Art und Weise mit "Feuer und Schwert". Letzterer begegne diesem Vorgehen jedoch vollkommen falsch mit einer Politik
des Appeasement, die jedoch bereits 1934 im Umgang mit Hitler-Deutschland ihr Versagen demonstriert habe.
Dies ist der Standpunkt, von dem Broder aus argumentiert und den er an verschiedenen Orten der Erde bestätigt sieht. So schlägt er mühelos eine Brücke von den Schülern mit
Migrationshintergrund der Berliner Rütli-Schule zur UNO-Politik in Israel um von dort zum Iran zu gelangen. Dessen Staatschef Mahmud Ahmadinedschad nominiert Broder kurzerhand für den "Orden wider
den tierischen Ernst" des Aachener Karnevalsvereins - "für seine einzigartige Begabung, einfach Lösungen für komplexe Probleme anzubieten". Ein lustiger Versuch, ohne Frage, doch wirkt der
ironisch-provokante Ton, den Broder immer wieder anschlägt eher so, als hätte man es mit einem hoffnungslosen Michael-Moore-Verschnitt zu tun.
So stumpfen Broders Pfeile scharf gespitzter Ironie noch im Flug ab und erreichen ihr Ziel nicht. Das ist schade, denn das Eisen, das Broder anpackt, ist durchaus heiß. Das Verhältnis
zwischen christlicher und muslimischer Welt ist angespannt, ohne Frage. Unter der Oberfläche brodelt es und von Zeit zu Zeit entlädt sich der Druck in einem kleinen Ausbruch wie er jüngst nach der
Rede des Papstes an der Regensburger Universität zu beobachten war. Doch auch wenn es sicher richtig ist, nicht schon in vorauseilendem Gehorsam ein "mea culpa" gegenüber den Andersgläubigen
anzustimmen (Broder nennt dies "Godzilla-Logik", reizt die Bestie bloß nicht), muss man sie doch nicht gleich als traumatisierte Wilde mit dem Hang zur Weltherrschaft darstellen, wie es der Autor
tut. So zieht er die Konfliktlinie klar zwischen der "Kultur des Fleißes", womit Broder den Westen meint, und einer "Kultur der Scham und Schande", die er in den islamischen Staaten ausmacht.
Dieses Bild lässt sehr an einen amerikanischen Präsidenten denken, dessen Tuschkasten schon lange nur noch zwei Farben enthält: schwarz und weiß.
So sind in Broders Buch durchaus gute Ansätze zu finden, die jedoch konsequent ideologisch verklärt zu Ende gedacht werden. Wenn der Autor damit polarisieren wollte, ist ihm das gelungen.
Doch wem ist damit geholfen?
Kai Doering
Henryk M. Broder: Hurra, wir kapitulieren. Von der Lust am Einknicken, Wjs-Verlag, Berlin 2006, 167 Seiten, 16 Euro, ISBN 3-937989-20-X
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