Jugendliche schlagen einen Mann, Dominik Brunner, tot. Schüler in Winnenden und in Ansbach laufen Amok. Extrembeispiele freilich, vor deren Hintergrund die vielen Fälle von Straßenkriminalität
und Gewalt verblassen. Aber diese wie jene dürfen nicht klein geredet werden, denn sie wachsen.
Kultur kann der Gewaltprävention dienlich sein. Es ist kein Allheilmittel, aber ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Ein chinesisches Sprichwort besagt, dass auch ein Weg
von eintausend Meilen mit einem ersten Schritt beginnt. Kulturelle Förderung öffnet den Weg zu einem friedlicheren Miteinander. Jugendliche können sich verwirklichen und sind - zumindest wir eine
gewisse Zeit - weg von der Straße. Künstler vermitteln ihnen das nötige Handwerkszeug, aber auch die inneren Werte.
Das "Archiv der Jugendkulturen e.V." leistet dazu einen ganz besonderen Beitrag. Seit 1998 sammelt es Zeugnisse aus der Jugendkultur und stellt sie der Öffentlichkeit zur Verfügung.
Heranwachsenden bietet es einen Raum, um ihre künstlerischen Erzeugnisse zu kreieren und vorzustellen. Am 18. September präsentierten Jugendliche ihre Texte und Fotos. Ihre Ausstellung "LOS!"
kann bis zum 17. Oktober 2009 in der Fidicinstraße 3 in Berlin-Kreuzberg kostenlos besucht werden.
Farbige Fäden
"LOS!" zeugt von dem, was Jugendliche heute bewegt. Die jungen Künstler sind 14 und 15 Jahre alt. Ihre Wurzeln liegen in Indonesien, Thailand, Indien, Serbien, Albanien und der Türkei. Sie
befinden sich im Übergangsstadium zwischen Kind- und Erwachsen-Sein, suchen ihrem Weg im Labyrinth des Lebens. Und so ist auch die Vernissage aufgebaut. Ein Irrgarten aus weißen Stoffbahnen wurde
kreiert. Darauf befinden sich die literarischen Erzeugnisse und Fotos der Jugendlichen. Sie beschrieben die Dinge, die sie bewegen: Liebe, Wut, Freundschaft, Familie, Religiosität, aber auch
Krieg und Tod. An jeden Text ist ein farbiger Bindfaden geheftet. Jede Farbe steht für einen der jungen Autoren. Sie sorgt für ein gewisses Maß an Anonymität und symbolisiert zugleich, dass sich
das jeweilige Thema wie ein Faden durchs Leben zieht.
Eigene Strömungen
Entstanden sind die Texte während eines mehrwöchigen Literaturworkshops. "Die jungen Leute sollten schreiben, was sie wollten. Wir wollten erreichen, dass sie ihre eigenen Strömungen
finden. Sie mussten in eine solche Situation gelangen, in der sich auch die großen Autoren der Welt sich zu Beginn ihres Schaffens befinden," erklärte Guntram Weber. Gemeinsam mit der Autorin
Anja Tuckermann leitet er diese Literaturwerkstatt. "Die Kinder sind in der achten Klasse, 14 Jahre alt und haben viele Probleme. Die sollten sie erkennen und darüber schreiben," führte
Tuckermann weiter aus. Weber und Tuckermann, arbeiten seit über 20 Jahren in diesem Bereich. Sie verfügen über viele Kontakte zu Lehrern und Schulen, wo das Bedürfnis nach kultureller Bildung
besonders groß ist.
Es wurde nicht nur geschrieben, sondern auch fleißig fotografiert. "Die Kinder haben bei uns einen Grundlehrgang im Fotografieren absolviert. Wir brachten ihnen verschiedene Techniken und
Bildkompositionen bei. Dann sind wir einfach raus und haben die Berliner Lebenswelten aufgenommen," berichtete der professionelle Fotograf Emil Gruber über seine Arbeit. Unterstützt wurde er von
Jörg Metzner, der ebenfalls professioneller Fotograf ist und schon seit mehreren Jahren derartige Projekte tatkräftig unterstützt.
Keine Brachen
Auch nach dem Lehrgang werden die Jugendlichen nicht allein gelassen. Per Telefon und Internetkontakt stehen ihnen die Betreuer weiter mit Rat und Tat zur Seite. "Ein Mädchen hat ihre Liebe
zur Fotographie entdeckt. Ich werde ihr weiterhin zur Verfügung stehen, um ihr zu helfen. Das ist das Schöne an dem Projekt, dass nach dem Workshop nicht einfach Schluss ist," freute sich Gruber.
Wir dürfen die Potentiale unserer Kinder und Jugendlichen nicht brach liegen lassen, müssem ihnen Räume bieten, sie unterstützen und fördern. Projekte wie die Jugendvernissage vom "Archiv
der Jugendkulturen e.V." sind ein viel versprechender Ansatz für Gewaltprävention und eine bessere Jugendpolitik.
Vom 19. September bis 17. Oktober kann die Vernissage kostenlos besucht werden und zwar mittwochs bis samstags in der Zeit von 15 bis 19 Uhr.
Sie befindet sich in der Fidicinstraße 3 in Berlin-Kreuzberg (Nähe U Platz der Luftbrücke/ U6).
Die Ausstellung "LOS!" ist Teil des Projekts "Migrantenjugendliche & Jugendkulturen". sie wird gefördert im Rahmen des Bundesprogramms "Vielfalt tut gut".
Auf dem Bild Anja Tuckermann. Foto: Köcher.
Weitere Informationen:
www.vielfalt-tut-gut.de
www.jugendkulturen.de
www.culture-on-the-road.de
Ich studiere Kulturwissenschaften an der Europauniversität Viadrina in Frankfurt (Oder) mit den Schwerpunkten Kulturgeschichte und Sozialwissenschaften. Ich lerne dort ebenfalls Englisch und Spanisch. In meiner Freizeit bin ich "ganz normal" wie andere auch: Ich spiele Fußball, gehe gerne weg oder verbringe Zeit mit meinen Freunden.