Kultur

Ideen sind gefragt

von Die Redaktion · 29. November 2005

Die soeben von Helga Grebing im neuen Verlag in zweiter Auflage herausgegebene "Geschichte der sozialen Ideen" belegt sehr beeindruckend, wie stolz die Sozialdemokratie auch in dieser Hinsicht auf ihre lange Geschichte sein kann. Die sehr informativen Beiträge machen deutlich, wie sehr sich die SPD stets - und erneut nach dem Ende der Nazi-Diktatur - bei der Suche nach programmatischen Begründungen für die Idee der sozialen Gerechtigkeit auch den neuen politisch-ökonomischen Herausforderungen der Zeit stellte und nach neuen Antworten suchte.

Walter Euchner beschreibt und würdigt die Geschichte der sozialistischen Ideen im 19. und 20. Jahrhundert bis zum Beginn der Nazi-Diktatur im Jahre 1933. Die Wurzeln des Genossenschaftsgedankens werden dabei ebenso dargestellt wie der "Handwerkerkommunismus" eines Wilhelm Weitling oder Stephan Born. Das Denken von Karl Marx und Friedrich Engels nennt Euchner eine "epocheprägende Theorie", die wegen ihrer unübertroffen analytischen Schärfe auch heute noch "Gegenstand der Reflexionen über die sozialökonomischen Grundstrukturen der Moderne" ist.

Helga Grebing beschreibt Leben und Werk demokratischer Sozialisten, die die nazistische und die stalinistische Diktatur oft am eigenen Leibe erfahren und verarbeiten mussten und die nach dem Kriegsende dennoch den "Sozialismus als Gegenwartsaufgabe" sahen, den es theoretisch zu begründen galt. Grebing spart dabei den von ihr sicher zu Recht in Anführungszeichen gesetzten "DDR-Sozialismus" nicht aus und konfrontiert dessen eher kümmerlichen Versuche einer Theoriebildung mit den Ideen von Reformkommunisten wie Robert Havemann und Ernst Bloch und mit den Vorstellungen eines "Dritten Weges" der Bürgerbewegungen gegen Ende der achtziger Jahre.

Dankenswerter Weise fehlen in diesem Handbuch nicht Beiträge, die in vielen Nachschlagewerken oft ausgespart werden: Ausführliche Darstellungen der Geschichte der sozialen Ideen des deutschen Katholizismus und Protestantismus runden die 1160 Seiten lange "Geschichte der sozialen Ideen in Deutschland" ab.

Das Buch ist in erster Linie ein in der Bildungsarbeit, im Studium und im politischen Tagesgeschäft vielfältig nutzbares und darum außerordentlich nützliches Nachschlagewerk. Die Beiträge der sechs Autoren sind sehr übersichtlich gegliedert, die Ideenspender, seien es Marx oder Lassalle, Paul Sering alias Richard Löwenthal oder Wolfgang Abendroth, Heinrich Pesch oder Heinrich Brauns, Friedrich Raiffeisen oder Friedrich Naumann werden mit ihren Biographien, vor allem aber auch mit ausführlichen Zitaten aus ihren Werken vorgestellt.

Ein umfängliches Personen- und Sachregister erleichtert den Zugang zu den Texten und die thematisch geordnete Literaturliste regt zu weiterführender Lektüre an.

Für die Herausgeberin Grebing bleibt als Fazit, dass die Idee des demokratischen Sozialismus "als alternatives Prinzip zum Kapitalismus und zugleich als regulative Idee des emanzipatorischen Fortschritts" weiterhin aktuell bleibt, zumal - wie Grebing auch feststellt - "eine Armut an Begründungen für das neue Projekt Sozialismus" nicht besteht.

Siegfried Heimann (Berlin)

Walter Euchner/Helga Grebing/F.J.Stegmann/Peter Langhorst/Traugott Jähnichen/Norbert Friedrich, Geschichte der sozialen Ideen in Deutschland. Sozialismus - Katholische Soziallehre - Protestantische Sozialethik. Ein Handbuch, herausgegeben von Helga Grebing, 2. Auflage , Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2005, 1160 Seiten, 69,90 Euro, 69,90 Euro, ISBN 3531147528

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