Kultur

Ich seh doch, was hier los ist

von Die Redaktion · 7. Oktober 2005

Ein neues Buch über Regine

Hildebrandt? Wissen wir nicht

längst alles über sie? Ist sie nicht eine der bekanntesten und

anerkanntesten Frauen der Republik? Eine Frau,

in deren Namen jedes Jahr ein Preis für soziales Engagement

verliehen wird. Eine Frau, nach der Schulen, soziale Einrichtungen, Straßen und sogar Blumen

benannt sind.

Gemach, Gemach. Ich kenne Regine Hildebrandt aus ihrem politischen

Jahrzehnt. Viel Gemeinsames gab es, aber auch manchen Disput.

Aber vor diesem Politikerinnen-

Leben gab es 50 Jahre

ganz anderes Leben, das ich nur bruchstückhaft kenne.

Anderen wird es ähnlich gehen.

Sehr hildebrandtsche 50 Jahre - das macht dieses Buch deutlich.

Und es macht es damit einmalig und wichtig, denn Hans-Dieter Schütt

hat sich Zeit genommen zu vielen Gesprächen und Recherchen,

um Regine Hildebrandt nahe zu kommen und nahe zu sein.

Sie gewinnt in diesem Text Farbe und Plastizität durch Wertungen und

Interpretationen, denen man meist voll und von ganzem Herzen zustimmt,

die man aber durchaus nicht immer teilen muss. So z. B., wenn

der Autor die Auffassung vertritt, sie habe in ihrem Drang,

authentisch zu sein, zu allen Steigerungsformen von

Inszenierung gegriffen. Meines Erachtens aber hat sie sich

nicht inszeniert, sondern Dritte haben wohl ein solches Maß

an Authentizität nur für möglich gehalten, wenn es inszeniert wurde.

Diese Inszenierungen durch Dritte gingen ja weiter:

Mutter Courage des Ostens, Mutter Theresa, Ikone des Ostens

- all diese Namen deuten auf zwei Neigungen hin:

zum Klischee und zur Vereinfachung.

Der Text zeigt im Gegensatz dazu einen höchst

komplexen, differenzierten Menschen.

Die Beinamen weisen auf ein Bedürfnis nach Heroisierung hin.

Das entspricht vielleicht einer menschlichen Neigung, aber absolut

nicht dem Bild, das Regine Hildebrandt von sich selbst hatte:

Sie hielt sich für einen ganz normale Menschen.

Das war sie auch, sogar ein außergewöhnlich normaler Mensch.

Noch ein liebgewordenes Klischee wird angegriffen, ihre Maßlosigkeit.

Ich habe gelegentlich gehört, Regine Hildebrandt sei unrealistisch

in ihren Zielen, sie wolle zu viel und das sofort.

Das war nie mein Eindruck und dieser Text bestätigt ihn:

"Ich vertraue der Kraft des Relativen

- das aber absolut und das schon immer."

Von Günter Baaske

Günter Baaske ist Vorsitzender der

SPD-Fraktion im Landtag Brandenburg

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